Fragen & Antworten: Was lief schief bei den Presseplätzen?

München (dpa) - Das Oberlandesgericht München hat zwei Tage vor dem geplanten Start den Prozess wegen der Morde und Terroranschläge des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) verschoben. Der Grund: Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts müssen mindestens drei Plätze für türkische und griechische Journalisten reserviert werden.

Jetzt wird das Verfahren neu eröffnet.

Was lief schief bei der Vergabe der Journalistenplätze?

Das OLG hatte die 50 reservierten Plätze im Saal zunächst strikt nach der Reihenfolge der Anmeldungen vergeben. Türkische Medien gingen dabei leer aus. Die türkische Zeitung „Sabah“ zog vor das Bundesverfassungsgericht - und bekam Recht: Karlsruhe ordnete an, „eine angemessene Zahl von Sitzplätzen“ müsse für Medien mit besonderem Bezug zu den Opfern der Neonazi-Terroristen reserviert werden. Acht der Mordopfer waren türkischer Herkunft, einer stammte aus Griechenland.

Warum hat das Gericht nicht einfach zusätzliche Plätze für ausländische Medien geschaffen?

Das Bundesverfassungsgericht nennt in seinem Beschluss ausdrücklich diese Möglichkeit. Doch das ist nicht unbedingt ein Freibrief: Es handelt sich um eine Eilentscheidung nach vorläufiger Abwägung. Außerdem musste das OLG einräumen, dass wegen eines technischen Fehlers nicht alle Medien gleichzeitig vom Beginn der Akkreditierungsfrist erfahren hatten. Das wäre durch die Vergabe von Zusatzplätzen nicht geheilt worden. Zudem ist der Platz im Gerichtssaal ohnehin sehr eng. Zusätzliche Plätze für ausländische Medien müssten entweder vom allgemeinen Zuschauerkontingent oder von den anderen Presseplätzen abgezogen werden. Auch hier wollte das OLG wohl kein Risiko eingehen, dass eine Behelfsregelung wieder juristisch angegriffen wird.

Wie geht es jetzt weiter?

Klar ist nur: Der Prozess soll am 6. Mai starten. Welche Medien dabei sind, ist wieder völlig offen - ebenso wie die Modalitäten der Akkreditierung. Der Senatsvorsitzende Manfred Götzl lässt bisher nur mitteilen, dass er nach dem Karlsruher Beschluss vom Freitag ein neues Akkreditierungsverfahren für notwendig hält - und dass dies bis zum ursprünglich geplanten Prozessbeginn am Mittwoch organisatorisch nicht mehr umsetzbar gewesen wäre. Gerichtssprecherin Margarete Nötzel sagt, sie habe „nicht die geringste Ahnung“, nach welchen Kriterien der Senat jetzt die Journalistenplätze vergeben werde.

Was bedeutet das für die Nebenkläger?

Viele Nebenkläger hatten zum geplanten Prozessbeginn Mitte April Urlaub genommen und Fahrkarten gekauft - jetzt müssen sie komplett umplanen, oder sie können gar nicht kommen. Die Ombudsfrau der Bundesregierung für die NSU-Opfer und deren Angehörige, Barbara John, spricht von einer „mittleren Katastrophe“. Auch Forderungen nach Entschädigungen werden bereits laut. Nach OLG-Angaben gibt es aber keinen unmittelbaren Anspruch. Eine Unterkunft werden Nebenkläger jedenfalls finden: Das Erzbistum München und Freising hatte für den Prozessbeginn 30 Zimmer im Exerzitienhaus Fürstenried geblockt - und kann dies auch für den neuen Starttermin anbieten. „Im Moment hätten wir die Kapazität frei“, sagte ein Sprecher des Erzbistums.