Plötzlich im Krisenmodus Gegenwind für den Pragmatiker Stephan Weil
Hannover (dpa) - Entspanntes Lächeln, frischer Teint: Beim Sommerfest der niedersächsischen Wirtschaft zeigt sich Stephan Weil am Donnerstagabend gut erholt. Locker plaudert der 58-Jährige über seinen Wanderurlaub in Südtirol - und kündigt an, jetzt in den Bundestagswahlkampf zu starten.
Erst am Jahresende rücke dann die Landtagswahl im Januar in Niedersachsen auf die seine Agenda. Doch schon am Freitag ist alles anders: Weil, der seit 2013 an der Spitze der rot-grünen Landesregierung steht, muss um seine politische Zukunft bangen. Mit dem überraschenden Übertritt der Abgeordneten Elke Twesten von den Grünen zur CDU ist die Ein-Stimmen-Mehrheit von Rot-Grün dahin. Die Landtagswahl könnte vorgezogen oder ihm das Vertrauen entzogen werden. Weil schaltet vom Urlaubs- in den Krisenmodus.
Und tags darauf, am Samstagabend, kommt es noch dicker: Weil soll einem Medienbericht zufolge in der VW-Affäre um manipulierte Abgaswerte eine Regierungserklärung dem Konzern vorab vorgelegt haben, die die Firma dann zu ihren Gunsten änderte - tut man das, wenn man im Aufsichtsrat sitzt und das Unternehmen eigentlich kontrollieren sollte?
Am Sonntagnachmittag tritt Weil vor die Kameras, spricht von einer „bodenlosen Unterstellung“. Damals, 2015, habe sich VW in einer „dramatischen“ Situation befunden, angesichts in den USA anhängiger Schadenersatzklagen. Sorgfalt sei geboten gewesen, denn allein in Niedersachsen hingen 100 000 Jobs direkt vom VW-Konzern ab. Es sei ihm um die Prüfung von Fakten und rechtlicher Zusammenhänge gegangen, inhaltlich abgemildert habe VW nichts, betont er. „In der Regierungserklärung fehlt es nicht an klaren Worten.“
Sich nicht aus der Ruhe bringen lassen, Souveränität und norddeutsch-kühle Gelassenheit ausstrahlen, damit hatte der 58-Jährige bislang so manche Krise, in die Gegner ihn manövrieren wollten, an sich abperlen lassen. Dass Kritiker ihm deswegen ein Langeweiler-Image nachsagen, quittiert er mit einem Lächeln. Weil ist kein Charismatiker, sondern Pragmatiker und hält hinter den Kulissen die Zügel bisher einigermaßen fest in der Hand.
An Format gewonnen hat er bundesweit in der VW-Krise, in der er die Interessen des Landes als Großaktionär vertrat - nicht nur in Niedersachsen hängen zehntausende Jobs von dem Autobauer ab. Doch die Nähe zwischen Konzern und Landesregierung und die gegenseitigen Verquickungen sorgen auch immer wieder für kritische Nachfragen.
Zurücktreten will Weil derzeit jedenfalls nicht, auch wenn die Opposition das lautstark fordert und meint, so ließen sich Neuwahlen am schnellsten realisieren. „Ich stelle mich jederzeit sehr gerne dem Wählerwillen, aber ich werde einer Intrige nicht weichen“, sagt Weil zum Fall der „Überläuferin“ Twesten.
Ähnlich standhaft hatte er sich in den zurückliegenden vier Jahren auch vor Kabinettskollegen gestellt, die von der Opposition unter Beschuss genommen wurden.
Bis zur gewonnenen Landtagswahl im Januar 2013 war Weil Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Hannover. Seine berufliche Laufbahn hatte der gebürtige Hamburger als Anwalt, Richter und Staatsanwalt begonnen. An die Spitze des SPD-Landesverbandes war Weil im Januar 2012 gekommen, nachdem ihn die Mitglieder zuvor zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl bestimmt hatten. SPD-Mitglied ist Weil seit mehr als drei Jahrzehnten. Sein Förderer und Vorbild, Altkanzler Gerhard Schröder, sagte Weil bereits eine bundespolitische Karriere voraus.
Der Jurist selber präsentiert sich gern als bürgernah, sachlich und pragmatisch und setzt auf Fairness - persönliche Attacken auf den politischen Gegner sind nicht sein Ding.