Gestrandet und gelassen: Eindrücke aus der Streiknacht

Berlin (dpa) - Deutschland hat den ersten regulären Bahnstreik der laufenden Tarifrunde hinter sich. Die meisten Menschen dürften das aber erst am Morgen bemerken, denn der Ausstand hat die Bahn für Stunden aus dem Takt gebracht.

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Eindrücke aus der Streiknacht:

HANNOVER: Eine junge Frau zeigt Verständnis für den Streik. Ihr Vater sei Lokführer, sagt sie: „Ich weiß, wie selten ich meinen Vater in meinen 23 Jahren gesehen habe und wie wenig er verdient.“ Am Abend erreichen etwa hundert Fahrgäste aus Minden den Bahnhof - sie waren dort gestrandet. Mit zwei Bussen bringt die Bahn sie an ihr Ziel nach Berlin.

BERLIN: Um kurz nach 6.00 Uhr rollen unter dem gläsernen Dach des Hauptbahnhofs wieder die Züge - doch sie haben bis zu eineinhalb Stunden Verspätung. Auch Fernzüge sind zu spät. Doch manch einer greift zum Handy und twittert überrascht, dass sein Zug pünktlich ist.

STUTTGART: Der Autobauer Daimler muss sich nicht nur sorgen, dass die Beschäftigten nicht rechtzeitig zur Schicht erscheinen. Weil Güterzüge stehen bleiben sollten, sind auch Materialengpässe möglich. Jegliche Auswirkungen auf die Produktion müssten ausgeschlossen werden, sagt ein Unternehmenssprecher. Gegebenenfalls könne der Transport dann mit Lastwagen über die Straße laufen.

NORDRHEIN-WESTFALEN: „Es geht durchs ganze Land.“ So umschreibt eine Bahnsprecherin die Streikfolgen im bevölkerungsreichsten Bundesland. Aber: kein kompletter Stillstand zwischen Rhein und Weser. „Jetzt bin ich echt überrascht“, verkündet im Internet ein Fahrgast, dessen S-Bahn pünktlich fuhr.

MÜNCHEN: Zunächst kein Chaos. Sechs S-Bahn-Züge fahren pro Stunde, berichtet ein Bahnmitarbeiter am Morgen. Pendler mussten Verzögerungen hinnehmen. Spätestens ab 10.00 Uhr sollen die Züge wieder planmäßig fahren. „Es ist das gewohnte Bild, die Leute haben sich darauf eingestellt“, erklärte der Sprecher der Aktion Fahrgäste München, Andreas Nagel, schon am Abend.

HAMBURG: Ein gelassener Pendler: „Der ganze Streik wurde frühzeitig angekündigt, also ist das kein Drama, rechtzeitig zum Ziel zu kommen“, sagt der Mann, der am Abend noch nach Kiel muss. Der zentrale Bahnhof der Hafenstadt war schon vor dem Streik blockiert: 80 Kurden blockierten im Protest gegen die Terrormiliz Islamischer Staat für knapp eine Stunde mehrere Gleise und sorgten bereits da für erhebliche Verspätungen.

NÜRNBERG: Vor dem Hauptbahnhof stehen am Morgen nur wenige Taxis, hier ist kein großes Geschäft zu machen. Ein Fahrer bringt es auf den Punkt: „Wenn keine Züge ankommen, kommen auch keine Fahrgäste.“