Razzia vor Morgengrauen Göttinger Polizei verhindert möglichen Terroranschlag
Göttingen (dpa) - Punkt fünf Uhr am Donnerstagmorgen in einem Göttinger Wohnhaus gibt es ein Krachen und Schreie. Das ganze Treppenhaus ist voller Polizei. Sie habe sich schnell wieder in ihre Wohnung im vierten Stock verzogen, sagt eine durch den Lärm aufgeweckte Bewohnerin.
Zwei Stockwerke tiefer dringen Spezialkräfte der Polizei in eine Wohnung hoch über der Universitätsstadt ein. Sie nehmen einen sogenannten Gefährder aus der radikal-islamistischen Szene fest. Ein paar Straßen weiter fassen sie einen zweiten Verdächtigen und verhindern so einen wahrscheinlich bevorstehenden Terroranschlag.
Insgesamt 450 Beamte stürmen zeitgleich acht weitere Wohnungen und ein Geschäft in Göttingen sowie eine Wohnung in Kassel. Die Aktion richtet sich nach Angaben des Göttinger Polizeipräsidenten Uwe Lührig gegen die beiden Festgenommenen und deren näheres Umfeld.
Die Männer stehen im Verdacht, einen Terroranschlag vorbereitet zu haben. Die in Deutschland geborenen Verdächtigen, ein 27-jähriger Algerier, der zuletzt in einem Callcenter arbeitete, und ein 23 Jahre alter Nigerianer, der eine Ausbildung zum Schneider absolvierte, werden aufgrund eines richterlichen Beschluss in den sogenannten Langzeitgewahrsam genommen. Sie sollen nach Abschluss der strafrechtlichen Ermittlungen abgeschoben werden. Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) bewertet den Einsatz als „sehr wichtigen Schlag gegen die Szene“.
Acht Stunden nach der Großrazzia präsentiert die Polizei ihre Ausbeute: Zwei scharf gemachte Handfeuerwaffen, scharfe Munition, Flaggen der Terror-Organisation IS, eine Machete, eine Soft-Air-Maschinenpistole sowie einige andere frei verkäufliche Waffen.
Die beiden Festgenommenen, die seit Monaten im Visier der Fahnder sind, hätten einen Terroranschlag geplant und diesen jederzeit ausführen können, sagte der Chef der Göttinger Kriminalpolizei, Volker Warnecke. Was genau die Männer vorhatten, wollen die Fahnder aus ermittlungstaktischen Gründen nicht sagen. Kripochef Warnecke sagt nur, mit den sichergestellten Schusswaffen hätten Menschen umgebracht werden können.
Nach Erkenntnissen der Ermittler hatten die Festgenommenen rege Kontakte zur radikal-islamistischen Szene unter anderem in Hildesheim, aber auch in anderen deutschen Städten. Über Kontakte zur Terror-Organisation IS sei dagegen nichts bekannt.
Als Hochburg der radikal-islamistischen Szene in Niedersachsen gilt neben Hannover und Wolfsburg/Braunschweig nach Einschätzung des Verfassungsschutzes auch der Raum Hildesheim/Göttingen. In Göttingen selber gehören der Szene nach Einschätzung von Ermittlern rund 50 Menschen an, die Szene wird seit Jahren beobachtet.