Grasel und „Dr. Borchert“: Die Anwälte hinter Zschäpe
München (dpa) - Immer still und scheinbar unbeteiligt - so verhält sich der vor gut einem Vierteljahr engagierte Münchner Anwalt Mathias Grasel bisher im Prozess gegen seine Mandantin. Jetzt hingegen, wenn Zschäpe nach zweieinhalb Jahren Prozessdauer ihr Schweigen bricht, spielt er die zentrale Rolle.
Grasel ist mit seinen 31 Jahren zwar jung und hat wenig Erfahrung, ist aber offensichtlich ehrgeizig. Er wolle ein „erfolgreicher Jurist“ werden, schrieb er schon 2003 in der Abiturzeitung seiner Schule in Tettnang am Bodensee.
Eines hat er immerhin geschafft: Im Münchner NSU-Prozess bestimmt jetzt er die Strategie der Hauptangeklagten Zschäpe und nicht mehr ihre drei ursprünglichen Verteidiger Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm - drei gestandene Strafverteidiger, die vor dem Bundesgerichtshof in einem anderen Fall schon einmal eine Anklage wegen Mittäterschaft zu Fall brachten. Sie wurden von Nachwuchsmann Grasel ausgestochen.
Der hatte seinen Coup offensichtlich lange vorbereitet. Schon seit rund einem Jahr soll er Zschäpe immer wieder in der Justizvollzugsanstalt Stadelheim besucht haben. Er soll ihr auch geholfen haben, mehrere Briefe an das Gericht zu schreiben, als sie ersuchte, Heer, Stahl und Sturm loszuwerden. Einer endet mit einem Postscriptum, in dem Zschäpe andeutet, sie wolle „etwas“ aussagen - wenn das Gericht ihr Grasel zuteile. Sie bekam ihren Willen. Und jetzt bekommt das Gericht wohl tatsächlich ihre Aussage.
Dass ausgerechnet Grasel den vielleicht schwierigsten Strafprozess Deutschlands in eine völlig neue Richtung dreht, das hätten ihm wohl nur wenige zugetraut. Er wirkt schüchtern und pennälerhaft, ganz anders als sein Kanzleiprimus Hermann Borchert, den sich Zschäpe zusätzlich als Wahlverteidiger genommen hat. Borchert arbeitet seit mehr als 30 Jahren als Strafverteidiger - so lange, wie Grasel alt ist.
Jetzt fordert Zschäpe, das Gericht möge auch Borchert als Pflichtverteidiger für sie engagieren. Er wäre dann Pflichtverteidiger Nummer 5. Seit sie sich im Juli 2014 kennenlernten, „genießt Dr. Borchert mein vollstes Vertrauen“, schreibt Zschäpe. Der Brief liegt der Deutschen Presse-Agentur vor.
Wobei „Dr. Borchert“ tatsächlich kein promovierter Doktor ist, wie Zschäpe zu glauben scheint. Auf seiner Internetseite firmiert er als „JUDr“, diesen Titel bestätigt er auch auf Nachfrage. Er wird in Tschechien und der Slowakei vergeben, zeigt aber nur an, dass der Träger sich qualifiziert hat, seinen Doktor erst zu machen.
Auf einigen Anwaltssuchportalen ist dieser Unterschied allerdings auch nicht angekommen - auch dort ist Borchert als Doktor eingetragen. Warum? „Das weiß ich nicht“, sagt Borchert. Er werde das ändern lassen.