Warum die Angeklagten im NSU-Prozess reden - und warum jetzt

München (dpa) - Fünf Angeklagte gibt es im Münchner NSU-Prozess, aber nur zwei sitzen in Untersuchungshaft: die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe und ihr mutmaßlicher Helfer Ralf Wohlleben.

Foto: dpa

Zschäpe ist als Mittäterin der überwiegend rassistisch motivierten Serie von zehn Morden und zwei Sprengstoffanschlägen angeklagt, Wohlleben soll die wichtigste Mordwaffe organisiert haben. Beide wurden im November 2011, kurz nach dem Auffliegen des NSU, festgenommen. Beide schweigen seitdem. Und beide wollen jetzt ihr Schweigen brechen. Warum? Und warum jetzt?

Die Antwort dürfte so lauten: Bisher schwiegen sie, weil sie sich erhofften, die Bundesanwaltschaft werde die Vorwürfe gegen sie nicht überzeugend beweisen können. Jetzt wollen sie reden, weil sie befürchten, das Gericht könnte nach zweieinhalb Jahren Prozess doch von ihrer Schuld überzeugt sein. Demnach hieße ihr Maximalziel jetzt nicht mehr Freispruch, sondern nur noch mildernde Umstände.

Das ist besonders deutlich aus dem Zschäpe-Lager zu hören. Die Schweigestrategie sei darauf angelegt gewesen, eine Verurteilung unmöglich zu machen, heißt es. Zschäpe habe schließlich nicht selber geschossen, und der Vorsatz für eine Mittäterschaft sei schwer zu beweisen. Zwei ihrer drei ursprünglichen Anwälte, Wolfgang Heer und Wolfgang Stahl, haben außerdem Erfahrung mit einer derartigen Rechtskonstruktion: Für einen anderen Mandanten hatten sie vor dem Bundesgerichtshof so einen Freispruch erreicht.

Mit zunehmender Prozessdauer häuften sich aber die Anzeichen, dass Zschäpe lieber reden würde und ihr die Strategie ihrer Anwälte immer weniger behagte. Das sagte sie auch einem psychiatrischen Gutachter. Vergangenen Sommer zerstritt sie sich dann endgültig mit ihren Verteidigern. Dem Gericht schrieb sie, sie würde gern „etwas“ aussagen, sofern das Gericht ihr einen neuen Anwalt stelle. Ausgeguckt hatte sie sich den 31-jährigen Mathias Grasel, der sie mehrfach in der Untersuchungshaft besucht hatte. Das Gericht willigte ein - wohl in der Erwartung, Zschäpe werde ihr Schweigen brechen.

Ähnlich liegen wohl die Motive bei Ralf Wohlleben, der die Mordwaffe vom Typ „Ceska“ beschafft haben soll. Neun der zehn NSU-Mordopfer wurden mit dieser Pistole getötet. Vergeblich wiesen seine Verteidiger immer wieder auf Lücken bei den Ermittlungen hin. So ist tatsächlich nicht restlos geklärt, auf welchem Weg die Waffe von der Schweiz nach Jena gelangte. Dem wichtigsten Belastungszeugen werfen die Wohlleben-Verteidiger vor, er wolle seine eigene Rolle kleinreden. Diesen „Lügen“ müsse ihr Mandant darum entgegentreten.