Höchste Staatsamt „Graue Effizienz“ Steinmeier als Mutmacher

Berlin (dpa) - Die Umstellung wird für Frank-Walter Steinmeier gar nicht so groß sein. Lange Reden halten, als Vermittler und Erklärer auftreten, viel reisen. All das kann der langjährige Außenminister auch noch, wenn er ins Schloss Bellevue einzieht.

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Nach seiner Wahl in der Bundesversammlung hat Steinmeier (61) nun noch fünf Wochen Zeit, um sich auf seine fünfjährige Amtszeit vorzubereiten, die am 19. März beginnt.

Das höchste Staatsamt krönt eine fast mustergültige politische Karriere, die 1991 in Hannover mit einer denkwürdigen Begegnung beginnt. Der im 1000-Seelen-Dorf Brakelsiek im ostwestfälischen Lipperland aufgewachsene Tischlersohn und Jurist Steinmeier trifft dort auf Gerhard Schröder, ebenfalls Jurist, ebenfalls aus einem Dorf im Lipperland, aber zu diesem Zeitpunkt schon Ministerpräsident Niedersachsens.

„Er trat anders auf als die anderen. Der kam nicht in gebückter Haltung zu mir“, sagt Schröder später. In den folgenden 14 Jahren gehen die beiden einen gemeinsamen politischen Weg - steil nach oben. Steinmeier zieht in Schröders Staatskanzlei ein, folgt ihm 1998 nach Bonn und Berlin ins Kanzleramt, wird schließlich als Chef der Regierungszentrale Schröders Dirigent der Macht.

Es ist die Zeit, aus der sein Spitzname „graue Effizienz“ stammt. Der Mann mit der weißen Haarfarbe, die er seit einer komplizierten Augenoperation mit Mitte 20 hat, agiert unauffällig aber wirkungsvoll. Er gibt kaum Interviews, scheut die Öffentlichkeit, gestaltet aber die wichtigsten Regierungsprojekte wie die umstrittene Agenda 2010 maßgeblich mit.

2005 ist die rot-grüne Regierung Schröders am Ende. Der Kanzler verliert eine von ihm selbst herbeigeführte Neuwahl, sorgt aber dafür, dass „sein Mann“ Steinmeier als Vizekanzler und Außenminister in die erste große Koalition unter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) einzieht. Das Team Merkel/Steinmeier funktioniert gut - am Ende vielleicht zu gut. Von den Erfolgen der großen Koalition profitiert vor allem Merkel und fügt dem SPD-Kanzlerkandidaten Steinmeier bei der Bundestagswahl 2009 eine bittere Niederlage bei. Die Sozialdemokraten stürzen auf 23 Prozent ab, das schlechteste SPD-Ergebnis aller Zeiten.

Steinmeier wird trotzdem Oppositionsführer und kehrt vier Jahre später - wieder unter Merkel - ins Auswärtige Amt zurück. Mit sieben Jahren war er insgesamt so lange Außenminister wie vor ihm nur Hans-Dietrich Genscher (FDP) und Joschka Fischer (Grüne). „Der Name Frank-Walter Steinmeier wird mit der deutschen Außenpolitik verbunden bleiben. Er steht für Unermüdlichkeit, dafür, weiter zu verhandeln, zu vermitteln, zu überzeugen“, sagt Bundespräsident Joachim Gauck, als er Steinmeier Ende Januar seine Entlassungsurkunde übergibt.

Verhandeln wird Steinmeier als Bundespräsident nicht mehr, überzeugen muss er weiterhin. Vor allem will er die Menschen in Deutschland davon überzeugen, wie kostbar die Demokratie ist. „Ich will ein Mutmacher sein, denn ich bin fest davon überzeugt: Demokratie verträgt keine Resignation“, sagt er.

Steinmeier ist nicht nur in der Bevölkerung so beliebt wie kein anderer Politiker. Er hat sich auch über die Parteigrenzen hinweg extrem viel Rückhalt und Respekt erarbeitet. Selbst CSU-Chef Horst Seehofer nennt ihn inzwischen „den lieben Frank“ und bei der Wahl am Sonntag kann er auch auf Stimmen aus den Reihen von FDP und Grünen setzen.

Steinmeiers privater Rückhalt ist seine sechs Jahre jüngere Frau Elke Büdenbender, eine Verwaltungsrichterin, die nur selten mit ihm in der Öffentlichkeit auftritt. Die beiden haben eine Tochter, Merit, die Anfang 20 ist. Sein Familienleben spielt nur einmal eine größere Rolle in der Öffentlichkeit, als Steinmeier im Jahr 2010 seiner Frau eine Niere spendet. Er zieht sich dafür zehn Wochen aus der Politik zurück, erntet viel Hochachtung und wird in den Medien als Held gefeiert. Es gibt eben auch im Leben eines passionierten Berufspolitikers wichtigeres als Politik.