Griechenland stimmt für schmerzhaften Sparkurs
Athen (dpa) - Historisches Ja in letzter Minute: Mit der Annahme des umstrittenen Sparpakets hat das griechische Parlament die drohende Staatspleite zunächst abgewendet. Auf den Straßen Athens machten gewaltbereite Demonstranten ihrem Ärger weiter Luft.
In letzter Minute stellte sich das Athener Parlament am Mittwoch mit knapper Mehrheit hinter die umstrittenen Pläne der sozialistischen Regierung. Die Entscheidung löste weltweit Erleichterung aus. Nun ist der Weg für weitere Milliardenhilfen nahezu frei.
Am Donnerstag muss noch ein Ausführungsgesetz zum Sparpaket das Parlament passieren. Um die Beteiligung privater Investoren an einer langfristigen Rettung des Schuldensünders wird weiter gerungen. In Athen kam es erneut zu gewalttätigen Ausschreitungen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel begrüßte die Entscheidung des Parlaments: „Ich bin froh über die Nachricht aus Athen, die uns heute erreicht hat“, sagte die CDU-Politikerin in Berlin. Dies sei ein wichtiger Schritt für die Zukunft Griechenlands, aber auch für die Stabilität des Euro als Ganzes.
„Griechenland hat damit gezeigt, dass es bereit ist, einen sicherlich recht schwierigen Weg zu gehen, der auch für viele Menschen (...) Opfer bedeutet.“ Es sei aber der Weg, der nachhaltige Finanzen, einen Abbau der Schulden sowie Wirtschaftswachstum in Griechenland möglich mache. Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) sprach von einem „Lichtblick, nicht nur für Griechenland, sondern für ganz Europa“.
Auch die Europäische Union zeigte sich erleichtert. Nötig sei nun noch ein „Ja“ der Abgeordneten zu dem Ausführungsgesetz des Sparprogramms am Donnerstag, teilten EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso in einer gemeinsamen Erklärung in Brüssel mit. Nach ihrer Einschätzung entfernt sich Griechenland mit dem Parlamentsvotum von dem Katastrophenszenario einer Staatspleite. „Das war ein Votum der nationalen Verantwortung.“ Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) begrüßte die Billigung des drastischen Sparprogramms.
Bei der rund um den Globus mit Spannung beobachteten Abstimmung unterstützten 155 der insgesamt 300 Abgeordneten in Athen den strengen Sparkurs der Regierung. 138 stimmten dagegen, 5 enthielten sich, 2 nahmen an der Abstimmung nicht teil, wie Parlamentspräsident Filippos Petsalnikos bekanntgab.
Eine Mehrheit für das sozialistische Regierungslager war bis zuletzt nicht sicher, weil einzelne Abgeordnete mit einem Nein gedroht hatten. Am Ende hielt sich jeweils ein Politiker der Regierung und einer der Opposition nicht an die Parteilinie. Für das Paket votierten 154 der 155 Abgeordneten der regierenden Sozialisten und eine Abweichlerin der konservativen Nea Dimokratia.
Regierungschef Giorgos Papandreou will bis 2015 gut 78 Milliarden Euro einsparen. Das ist Voraussetzung für neue Milliardenhilfen, ohne die Griechenland schon in den nächsten zwei bis drei Wochen pleite wäre. Das Land wartet auf die nächsten 12 Milliarden Euro aus dem seit 2010 laufenden 110-Milliarden-Programm von EU und Internationalem Währungsfonds (IWF). Außerdem soll ein neues Hilfspaket im Umfang von bis zu 120 Milliarden Euro am kommenden Wochenende von den EU-Finanzministern beschlossen werden.
Mit drastischen Worten führte Papandreou den Abgeordneten die Folgen einer möglichen Staatspleite vor Augen: „Wenn das Land pleite geht, werden die Krankenhäuser aufhören zu operieren, Schulen werden schließen und Renten sowie Gehälter im öffentlichen Dienst werden nicht gezahlt“, rief er den Volksvertretern zu. „Europa hat uns das Vertrauen ausgesprochen, aber nicht für das Griechenland von gestern, sondern für das neue Griechenland“, sagte er vor der Abstimmung. Finanzminister Evangelos Venizelos bezeichnete die Verabschiedung des Sparprogramms als eine „patriotische Pflicht“.
Vor dem Parlament kam es wie am Dienstag und in der Nacht zu Mittwoch zu schweren Ausschreitungen zwischen mehreren hundert Randalierern und der Polizei. Am Nachmittag wurde deswegen das King George Palace Hotel am Syntagma Platz evakuiert, wo seit Wochen Demonstrationen stattfinden.
Mehr als 200 Menschen wurden nach Berichten griechischer Medien verletzt. Auch in anderen Städten des Landes demonstrierten Menschen gegen das Sparprogramm. Die Gegner argumentieren, dass Athen bereits mit seinem ersten Sparprogramm gescheitert sei und das neue Vorhaben die Lage des Landes noch weiter verschlimmern werde. Die Gewerkschaften setzten am Mittwoch aus Protest gegen das Vorhaben ihre landesweiten Streiks fort.
In der Diskussion über eine Beteiligung privater Investoren an einer langfristigen Rettung lassen sich die deutschen Banken noch nicht auf einen Beitrag festnageln. Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann stellte aber grundsätzlich Hilfe in Aussicht. In der Finanzbranche wird damit gerechnet, dass sich private Gläubiger wie Banken und Versicherer mit bis zu 30 Milliarden Euro am zweiten Rettungspaket für Athen beteiligen. An diesem Donnerstag treffen sich die Chefs großer Banken und Versicherer zu einer Schlussrunde mit Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU).
An den internationalen Finanzmärkten stieg die Hoffnung auf eine Rettung Griechenlands vor der Pleite, weltweit zogen die Kurse an. Ein Kursfeuerwerk allerdings blieb aus. Es warteten noch große Herausforderungen auf das Krisenland, sagten Börsianer. An der mangelnden Wettbewerbsfähigkeit der griechischen Wirtschaft und den hohen Schulden des Landes ändere das Votum nichts. Zudem hätten die Märkte eine positive Entscheidung erwartet.