Analyse GroKo-Folgen für Bayern und Seehofers CSU
Berlin/München (dpa) - So paradox es auch klingen mag: Nach den zähen Verhandlungen für die große Koalition im Bund liegen nun auch viele wichtige politische Zukunftsfragen in Bayern in den Händen der SPD.
Denn vom grünen Licht der SPD-Parteibasis beim Mitgliederentscheid für die GroKo-Neuauflage hängt vieles ab - nicht nur für die Genossen im Freistaat selbst, sondern auch für die CSU und deren Chef Horst Seehofer. Und auch für die für den 14. Oktober geplante Landtagswahl ist das Votum wegweisend.
HORST SEEHOFER: Die politische Zukunft des 68-Jährigen dürfte sich, wenn es zur Regierungsbildung kommt, wieder vorwiegend in Berlin abspielen. Als Bundesinnenminister würde er nach exakt zehn Jahren wieder am Kabinettstisch in Berlin Platz nehmen. Damit würde Seehofer ein Schlüsselressort zufallen, welches die CSU mit Blick auf ihre Kernthemen Innere Sicherheit und Migration auch im anstehenden Landtagswahlkampf thematisieren wird.
Der Wechsel nach Berlin dürfte Seehofer in jedem Fall der Abschied von seinem Posten als bayerischer Ministerpräsident erleichtern. Bis spätestens Ende März will er das Amt an seinen designierten Nachfolger Markus Söder abgeben will. Die Ämtertrennung ist das Ergebnis eines langen Machtkampfes der beiden Alphatiere und ihrer innerparteilichen Anhänger infolge der CSU-Pleite bei der Bundestagswahl im vergangenen Herbst.
MARKUS SÖDER: Für den 51-jährigen Franken ist die Bildung der großen Koalition ein wichtiger Meilenstein im Landtagswahljahr. Seehofer hatte das Ende der Koalitionsbildung in Berlin zur zeitlichen Bedingung für die vorzeitige Übergabe des Regierungspostens an Söder gemacht. Sollte die SPD einer großen Koalition zustimmen, könnte dies nach aktuellem Stand frühestens am 14. März im Landtag der Fall sein. Söder müsste dann auch möglichst schnell jedenfalls eine kleine, möglicherweise auch eine größere Kabinettsumbildung vollziehen.
Söder blieben dann bis zur Landtagswahl exakt sieben Monate, um die CSU aus ihrem aktuellen Umfragetief zu befreien. Jüngst bewegten sich die Christsozialen bei Werten bis maximal 40 Prozent. 2013 hatten sie 47,7 Prozent geholt - und damit die absolute Mehrheit der Sitze.
CSU: Für die CSU ist die Regierungsbeteiligung in Berlin generell existenziell - dies gilt für Jahre mit Landtagswahlen ganz besonders. Letztlich ist ihre bundespolitische Kraft auch im Freistaat ein Garant für ihren Sonderstatus. Keine andere regional begrenzte Partei kann damit bei den Wählern werben. Im anstehenden Wahlkampf wird sich dies einmal mehr zeigen, denn mit den im Koalitionsvertrag ausgehandelten Punkten zu Asyl, Rente und Steuersenkungen und den errungengenen Ministerien Innen, Verkehr/Digitales sowie Entwicklung werden die Christsozialen auf Stimmenfang gehen.
BAYERN: Den Termin für die Landtagswahl würden die Genossen auch mit einem Nein zur großen Koalition zwar nicht beeinflussen können. Ein Scheitern und damit wohl eine absehbare Neuwahl würde aber bedeuten, dass die Wahlberechtigten im Freistaat dieses Jahr noch zweimal zur Wahlurne schreiten müssten. Die Landtagswahl würde damit viel stärker bundespolitisch geprägt, bundespolitische Themen würden ein deutlich größeres Gewicht erhalten.
SPD: Die rund 60.000 Genossen im Freistaat erleben schon lange auf landespolitischer Ebene genau das, was der SPD auch im Bund droht: Mit Werten unter der 20-Prozent-Marke rangiert die Sozialdemokratie hier fernab des eigenen Anspruchs als traditionsreiche Volkspartei. Landeschefin und Bundesvize Natascha Kohnen würde bei einer Absage an die große Koalition zudem mit einem massiven Imageschaden in den Wahlkampf ziehen. Denn sie gehörte zum SPD-Verhandlungsteam und ist als stellvertretende Bundesvorsitzende inzwischen in Mithaftung für das Projekt GroKo.
Im Falle einer Zustimmung zum neuen Bündnis von Union und SPD müssten die Genossen wie in früheren Jahren mit dem Problem leben, in Bayern im Landtagswahlkampf gegen eine Partei mobilisieren zu müssen, mit der sie in Berlin sozusagen unter einer Decke steckt. Nicht nur das von Kohnen für den Wahlkampf geforderte erkennbare SPD-Profil dürfte darunter massiv leiden.