Gysi wirft Merkel Verfassungsbruch vor
Berlin (dpa) - Linken-Fraktionschef Gregor Gysi hat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) beim Fiskalpakt und dem Euro-Rettungsschirm ESM einen Verfassungsbruch vorgeworfen.
„Der Weg, der gegenwärtig beschritten wird, ist der eines Sozial- und Demokratieabbaus“, sagte Gysi bei der Vorstellung der Klagen seiner Fraktion gegen beide Instrumente beim Bundesverfassungsgericht am Samstag in Berlin. Die Linken-Klagen waren am Freitagabend nach Karlsruhe gefaxt worden.
Der Bundestag werde durch die Milliardenrisiken des ESM und die Sparvorgaben des Fiskalpaktes seiner Haushaltsrechte beraubt. Auch in Deutschland könnten damit Renten, Löhne und Sozialleistungen gekürzt werden. Wenn die Regierung beides durchsetzen wolle, müsse sie eine Volksabstimmung zur Änderung des Grundgesetzes machen. „Man kann nicht mit dem Grundgesetz so spielen, wie es derzeit geschieht“, kritisierte Gysi. Er sieht gute Erfolgsaussichten für die Klagen.
Gysi rechnet mit etwa drei Wochen bis zu einer Entscheidung über eine einstweilige Anordnung der Karlsruher Richter und damit darüber, ob die Gesetze zu Fiskalpakt und ESM von Bundespräsident Joachim Gauck unterzeichnet und in Kraft treten dürfen. Verzögert sich der mit einem Stammkapital von 700 Milliarden Euro ausgestattete ESM weiter, gilt vorerst weiterhin der Rettungsschirm EFSF. Deutschland haftet mit fast 200 Milliarden Euro bei dem neuen, größeren Rettungsschirm ESM.
Scharf kritisierte Gysi, dass nach den Beschlüssen des Brüsseler EU-Gipfels über den ESM auch Banken mit Milliarden gerettet werden könnten. „Wieso müssen wir ständig Banken und Hedgefonds retten“, fragte er. Der Prozessbevollmächtigte der Linken, der Jurist Hans-Peter Schneider aus Hannover, sprach von einem einmaligen Vorgang. Noch bevor Bundestag und Bundesrat den ESM abgesegnet hätten, sei er von den EU-Staats- und Regierungschef um Bankenhilfen und geringere Auflagen für Empfängerländer erweitert worden.
Das verstärke noch den Eindruck, dass der ESM verfassungswidrig sei - über die Ergänzungen muss erst noch der Bundestag entscheiden. Der ESM sei unbefristet, unkündbar und unwiderruflich, zudem fehle ihm eine demokratische Kontrolle. „Das hat den Charakter einer Ewigkeitsregelung. Er bedeutet auch einen Eingriff in das Wahlrecht der Bürger“, sagte Schneider mit Blick auf die Haushaltsrisiken. Der Bundestag müsse die Substanz seiner Zuständigkeiten behalten.