Harter Sparkurs: Deutsche Bank baut tausende Stellen ab
Frankfurt/Main (dpa) - Mit drastischen Einschnitten will John Cryan die Deutsche Bank wieder in die Erfolgsspur führen: Tausende verlieren ihren Job, das Auslandsnetz wird ausgedünnt, Aktionäre müssen erstmals in der Nachkriegsgeschichte auf eine Dividende verzichten - und das gleich für zwei Jahre in Folge.
„Wir haben uns klare Ziele gesteckt, an denen wir uns messen lassen“, sagte der neue starke Mann des Dax-Konzerns bei seinem ersten öffentlichen Auftritt in Frankfurt. An der Börse überzeugte Cryans Plan zunächst nicht: Die Aktie verlor im Handelsverlauf bis zu acht Prozent.
Konzernweit will die Deutsche Bank künftig mit gut 25 000 Stellen weniger auskommen - etwa einem Viertel weniger als die zuletzt über 100 000. Der größte Teil davon entfällt indes auf die Postbank, von der sich der Branchenprimus trennen will. Dies allein verringert den Mitarbeiterstamm des Deutsche-Bank-Konzerns um etwa 19 000 Vollzeitkräfte, weitere 1000 kommen durch die Trennung von weiteren kleineren Geschäftsbereichen hinzu.
Im Mutterhaus der Deutschen Bank werden unter dem Strich 9000 Arbeitsplätze abgebaut; gestrichen werden 14 000 Jobs, denen aber rund 5000 Neueinstellungen an anderen Stellen gegenüberstehen. Allein im deutschen Heimatmarkt fallen per Saldo 4000 Stellen fort. Wie stark der Stellenabbau die einzelnen Sparten treffen wird, führte das Management nicht aus. Insgesamt wird der Mitarbeiterstamm des Deutsche-Bank-Konzerns somit bis 2018 um ein Viertel auf etwa 77 000 Vollzeitkräfte schrumpfen.
Noch der alte Vorstand hatte im April beschlossen, bis Ende 2017 etwa 200 der 700 eigenen Filialen zu schließen. Dies werde vor allem Ballungsräume treffen, erklärte der neue Privatkundenchef Christian Sewing: „Wir werden weiterhin mit über 500 Filialen in Deutschland präsent sein und damit die Fläche sehr gut abdecken.“
„Ich versichere ihnen, dass wir diesen Stellenabbau auf eine faire Art und Weise in Rücksprache mit unseren Betriebsräten vornehmen werden“, sagte Cryan. Die Gewerkschaft Verdi, deren Chef Frank Bsirske im Deutsche-Bank-Aufsichtsrat sitzt, mahnte zu einem sozialverträglichen Umbau: „Wir erwarten, dass für die Dauer des Umbaus betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen werden.“
Die Fokussierung auf Personalabbau und Filialschließungen sei das falsche Signal, bemängelte Konzernbetriebsratschef Alfred Herling: „Denn damit drängt sich der Eindruck auf, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nun die Suppe auslöffeln müssen, die ihnen das Top-Management früherer Jahre mit Schadensersatzzahlungen und Abschreibungen in schwindelerregender Höhe eingebrockt hat.“
Seit 2012 musste die Bank rund 12 Milliarden Euro für Verfehlungen wie Zinsmanipulationen und fragwürdige Hypothekengeschäfte zahlen. Aktuell hat sie 4,8 Milliarden Euro für Rechtsstreitigkeiten zurückgelegt.
Investieren will Cryan in modernere Computersysteme, und er will wieder mehr Know-how in diesem Bereich ins Haus zurückholen. 6000 Stellen bei externen Dienstleistern sollen in diesem Zuge wegfallen.
Im Investmentbanking stellt die Bank etliche Handelsgeschäfte ein. Dem Institut machen die immer strengeren Kapitalanforderungen zu schaffen, viele Geschäfte gerade im schwankungsanfälligen Kapitalmarktgeschäft lohnen sich nicht mehr.
Der Sparkurs soll die Kosten um brutto rund 3,8 Milliarden Euro drücken. Die Kosten für den Umbau inklusive Abfindungen bezifferte das Geldhaus auf rund 3,0 bis 3,5 Milliarden Euro.
Nach einem Rekordverlust von sechs Milliarden Euro im dritten Quartal stellt sich der Vorstand auf rote Zahlen für das Gesamtjahr ein. „Wenn nicht ein Wunder passiert, werden wir einen Verlust für 2015 ausweisen“, sagte Cryan. Grund sind milliardenschwere Abschreibungen im Investmentbanking und im Privatkundengeschäft.
„Wir gehen nicht davon aus, dass 2016 und 2017 starke Jahre sein werden. Die Kosten für Rechtsstreitigkeiten und regulatorische Aufwendungen werden unsere Ergebnisse belasten“, sagte Cryan. „2018 dürfte ein entscheidendes Jahr für uns sein, bis dahin werden wir ein zufriedenstellendes Niveau bei den Gewinnen haben.“
Viele Analysten hatten mehr erwartet. Die angekündigten Maßnahmen seien eher kleine Verbesserungen als eine Revolution, kommentierte Société-Générale-Experte Andrew Lim. Die neuen Ziele seien nicht ambitionierter als die Planungen unter dem alten Co-Chef Anshu Jain, urteilte Morgan-Stanley-Analyst Huw van Steenis.
Der ehemalige UBS-Finanzvorstand Cryan hatte zum 1. Juli Jain an der Führungsspitze der Bank abgelöst. Der zweite Co-Chef Jürgen Fitschen bleibt noch bis zur Hauptversammlung im Mai 2016 im Amt, ehe der Brite allein das Ruder übernimmt.