Analyse Hellmut Krug: Der große Verlierer im Schiedsrichter-Streit
Odenthal. Vor 100 000 Zuschauern Fußball-Spiele zu pfeifen, war für Hellmut Krug eher Berufung statt Belastung. Einen erfahrenen Schiedsrichter könne eben nichts erschüttern, da war er sich schon vor mehr als einem Jahrzehnt sicher.
„Ich glaube, dass nichts einen Menschen so sehr formen kann, wie eine Schiedsrichtertätigkeit über viele Jahre“, sagte er damals in einem Interview mit dem Magazin „Fußballperspektiven“. Man müsse selbstbewusst auftreten und sich durchsetzen. Eben vor 100 000 Zuschauern. Oder auch: „Gegen die Medien, gegen Spieler und schwieriges Umfeld.“
Doch nun sah sich Hellmut Krug einer ganz neuen Herausforderung ausgesetzt. Neuen Widerständen. Auf die er nicht gefasst war, die ihn merklich mitnahmen. Und nun in nur vier Tagen auch den zweiten Posten kosteten. Der DFB setzte Krug am Montag als Projektleiter Videobeweis ab, nachdem er erst am Freitag seine Funktion in der Schiedsrichterkommission Elite aufgeben musste. Somit wurde Krug endgültig zum Verlierer im Schiedsrichter-Streit. Lediglich als Supervisor wird er weiter tätig sein, aber ohne direkte Kommunikation mit den Video-Assistenten.
Zunächst war dem DFB die Bewertung der Vorgänge augenscheinlich schwer gefallen. Nachdem die Schiedsrichter Manuel Gräfe und Felix Brych Krug und Herbert Fandel als Vorsitzendem des Schiedsrichterausschusses Dinge wie „Vetternwirtschaft“ oder „fehlende Transparenz“ bei der Auswahl und Nominierung der Bundesliga-Referees vorwarfen, folgte als Urteil ein Kompromiss.
Fandel besucht nach Angaben des DFB keine Lehrgänge der Elite-Schiedsrichter mehr, bleibt aber Schiedsrichter-Coach. Gräfe darf sich „über interne Sachverhalte und über Kollegen nicht mehr unabgestimmt in der Öffentlichkeit äußern“ und wird nicht mehr als Video-Assistent eingesetzt. Krug verlor den Kommissions-Sitz, behielt aber zunächst die Projektleitung.
So gingen zu diesem Zeitpunkt alle Beteiligten beschädigt aus der Geschichte heraus. „Sehr halbseiden“ nannte deshalb Frankfurts Sportvorstand Fredi Bobic die Entscheidungen: „Da müssen klare Entscheidungen getroffen werden. Aber ich kann nicht sagen, der oder der ist schuld.“ Und in Richtung Krug ergänzte er: „Ich kann gegen die Person nichts sagen. Die Person ist korrekt.“
So haben viele Wegbegleiter den Hobby-Golfer Krug kennengelernt, der vor seiner Funktionärs-Laufbahn als Gymnasiallehrer für Sport und Griechisch arbeitete. Freundlich, verbindlich, korrekt. Manche Schiedsrichter berichten jedoch von einem anderen Umgangston. Gräfe behauptete in seinem die komplette Diskussion auslösenden Interview mit dem „Tagesspiegel“ gar: „Bei einer anonymen Umfrage unter allen Schiedsrichtern hatten vor eineinhalb Jahren zwei Drittel ein Problem mit Krug und seinem Stil.“
Und seit Sonntag stand ein massiver Vorwurf im Raum, der den DFB zur Krisensitzung am Tag danach und schließlich zum Handeln bewegte. Die „Bild am Sonntag“ hatte berichtete, dass Krug als Video-Supervisor an einem Bundesliga-Spieltag zweimal in die Entscheidung des zuständigen Video-Assistenten eingegriffen haben soll.
Beide Entscheidungen kamen im Spiel gegen Wolfsburg dem FC Schalke 04 zu Gute, aus dessen Stadt Gelsenkirchen auch der frühere FIFA-Referee kommt. Krug teilte mit, Supervisoren seien gar „nicht befugt, die Entscheidungen der Video-Assistenten zu beeinflussen oder sie gar zu überstimmen.“ dpa