Porträt Herbert Diess führt VW
Wolfsburg/München (dpa) - Es ist ein markiger Satz: „Unsere Diesel sind die besten der Welt.“ Sollte man sich als Top-Manager von Volkswagen nach all den Abgas-Querelen trauen, so etwas in einer Talkshow vor Millionen Zuschauern vom Stapel zu lassen?
Wolfsburg/München (dpa) - Es ist ein markiger Satz: „Unsere Diesel sind die besten der Welt.“ Sollte man sich als Top-Manager von Volkswagen nach all den Abgas-Querelen trauen, so etwas in einer Talkshow vor Millionen Zuschauern vom Stapel zu lassen?
Herbert Diess jedenfalls nehmen viele eine solche Aussage durchaus ab - als ehrlich gemeint und nicht allzu hochtrabend. Natürlich kochte die Wut etlicher Autofahrer und Umweltschützer hoch, als er im März bei „Anne Will“ das Festhalten an der Dieseltechnologie rechtfertigte. Aber Diess differenzierte dabei auch klar. Ein neuer Motor mit neuer Technik sei etwas ganz anderes als die alten Stickoxid-Schleudern.
Der 59 Jahre alte neue Volkswagen-Chef ist für eine deutliche Sprache bekannt, gilt jedoch zugleich als diplomatischer und verbindlicher als der bisherige Konzernlenker Matthias Müller. Dass Diess sich auch harscher Kritik aussetzt und dann stets beherrscht zu kontern versucht, könnte selbst nach der schlimmsten Phase von „Dieselgate“ ein entscheidendes Kriterium für die Aufseher gewesen sein, ihn an die Spitze des Autobauers zu holen. Er habe verstanden, dass man sich ab und zu auch öffentlich zeigen und aktiv erklären müsse, ist hinter den Kulissen zu hören.
In der Führungsetage des Markenhochhauses auf dem Wolfsburger Werksgelände kam der Österreicher im Sommer 2015 an. Das war noch unter dem langjährigen Konzernchef Martin Winterkorn, den nur wenige Wochen später das Bekanntwerden millionenfacher Manipulationen bei Abgastests von Dieselautos aus dem Amt fegte. Ein Vorteil für Diess dürfte nun gewesen sein, dass er während der Verfehlungen der Jahre davor noch nicht im VW-Imperium tätig war. Dennoch wird auch gegen ihn wegen des Vorwurfs einer verspäteten Information der Finanzmärkte ermittelt.
Im Herbst 2015 kam Ex-Porsche-Chef Müller ans Ruder, dem Diess nun nachfolgt - nach nur knapp drei Jahren im Konzern. Diess war schon früh als Kronprinz im Gespräch. Während der bisherige Konzernlenker aber gern auch mal gegen die Medien polterte oder in Gehalts- und Regulierungsfragen mit DDR-Vergleichen für Unmut sorgte, pflegt der promovierte Maschinenbau-Ingenieur und Vater dreier Kinder zumindest nach außen hin den freundlich-leisen Auftritt.
Diess lässt sich im Rampenlicht nicht aus der Ruhe bringen. Intern kann das im Ringen um Sachfragen bisweilen anders aussehen. So geriet er bei der Planung und Umsetzung des Sparprogramms „Zukunftspakt“ zunächst heftig mit Betriebsratschef Bernd Osterloh aneinander.
Die Vorstellungen des Kostendrückers im Management und des obersten Belegschaftsvertreters - dem Pakt sollen parallel zum Aufbau von Zukunftsjobs viele Stellen zum Opfer fallen - deckten sich lange nicht. Auch im persönlichen Verhältnis der beiden knirschte es - Osterloh soll den VW-Chef gern als „Onkel Herbert“ bezeichnet haben.
Diess war vor allem angetreten, um die renditeschwache Pkw-Kernmarke auf Vordermann zu bringen. Nun könnte, so eine mögliche Lesart, die Berufung von Osterlohs Intimus Gunnar Kilian zum Personalvorstand des Konzerns auch ein Zugeständnis für Diess' weitere Beförderung sein. Und er hat die Rückendeckung des Porsche/Piëch-Familienclans. Im Streit mit dem mächtigen Betriebsratsboss erklärte Wolfgang Porsche: „Wir werden Herrn Diess nach besten Kräften unterstützen.“
Klar ist: Der Manager polarisiert. Die einen beschreiben ihn als „sehr charmant“ und angenehm im Umgang, die anderen als „harten Knochen“. Er setze Mitarbeitern ehrgeizige Ziele, verlange viel und könne ungemütlich werden, wenn einer nicht liefert. Hervorgehoben wird aber auch seine Bodenhaftung. Er sei kein eitler Typ, eher bodenständig. „Das ist bei ihm keine Masche“, sagt einer, der mit ihm zu tun hat.
Diess ist aber auch ein versierter Strippenzieher und Krisenmanager. Immer gut vorbereitet, ist er in der Welt der Zahlen unterwegs. Ein Manager mit klarer Kante, der die Belegschaft bei den Auto-Schicksalsthemen Elektromobilität, autonomes Fahren, Vernetzung und Dienstleistungen jedoch gleichzeitig motivieren kann - so lässt sich der Kommunikationsstil des Hobby-Motorradfahrers beschreiben.
Bereits bei BMW war Diess als Effizienzexperte angesehen. Dort verantwortete er zwischen 2007 und 2012 Einkauf und Zuliefernetz, zuletzt die Entwicklung. Von 1999 bis 2003 leitete er das Motorenwerk nahe Birmingham und die Fahrzeugfabrik Oxford. Auch bei den Bayern hatte er eigentlich schon eine Kronprinzen-Funktion inne, hätte dem Ex-Vorstands- und heutigen Aufsichtsratschef Norbert Reithofer folgen können. Doch die Eigentümerfamilie Quandt und die Betriebsräte gaben Harald Krüger den Vorzug, der ihnen als stärkerer Teamplayer galt.
Dass sich die Autobranche fundamental wandeln müsse, sei für Diess selbstverständlich, heißt es aus dem VW-Aufsichtsrat. Er habe Ideen und eine klare Strategie. Was ihm in München nicht gelang, kann er nun in Wolfsburg in einem noch größeren Maßstab verwirklichen: die Leitung eines Weltkonzerns. Ob er als knallharter Verhandler wirklich alle 650 000 Mitarbeiter mitnehmen kann, wird sich zeigen.