Hintergrund: Das Atom- und Energiepaket
Berlin (dpa) - Der Bundestag hat am Donnerstag den Weg frei gemacht für einen Atomausstieg bis 2022 und den Umbau zur stärkeren Versorgung mit erneuerbaren Energien. Insgesamt wurden acht Gesetze verabschiedet.
Ein Überblick über die Vorhaben:
ATOMAUSSTIEG: Die acht wegen der Fukushima-Katastrophe seit März stillstehenden Atomkraftwerke werden stillgelegt. Bis September soll die Bundesnetzagentur entscheiden, ob ein Meiler davon für den Fall von Stromengpässen bis 2013 in Bereitschaft bleibt. Die Reihenfolge der Abschaltungen der neun verbleibenden AKW: 2015 Grafenrheinfeld, 2017 Gundremmingen B, 2019 Philippsburg II, 2021 Grohnde, Brokdorf und Gundremmingen C, 2022 Isar II, Neckarwestheim II und Emsland.
ATOMMÜLL-ENDLAGER: Bis Jahresende soll es eine gesetzliche Regelung geben. Neben der Erkundung des Salzstocks in Gorleben soll es weitere geologische Untersuchungen geben - womöglich bundesweit.
ATOMSTEUER: Die Steuer auf neue Brennelemente bleibt bis 2016. Sie bringt bei neun AKW nur noch 1,3 statt 2,3 Milliarden Euro jährlich. Pro AKW und Jahr müssen die Betreiber etwa 150 Millionen Euro zahlen.
ÖKOENERGIE- UND KLIMAFONDS: Ab 2012 fließen sämtliche Einnahmen aus dem Verkauf von CO2-Zertifikaten in den dafür eingerichteten Fonds. Die Regierung rechnet nach Ausweitung des Handels mit Verschmutzungsrechten ab 2013 im Schnitt mit jährlich rund drei Milliarden Euro. Ab übernächstem Jahr sollen Zuschüsse in Höhe von bis zu 500 Millionen Euro jährlich an stromintensive Unternehmen zur Abfederung der Folgen durch die Energiewende gezahlt werden.
KRAFTWERKSNEUBAU: Mit einem Beschleunigungsprogramm sollen Kapazitäten von bis zu zehn Gigawatt gebaut werden, um den AKW-Wegfall aufzufangen. Das entspricht der Leistung von etwa zehn Atomkraftwerken. Unter anderem soll es mehr Gaskraftwerke geben.
STROMNETZAUSBAU: Bis 2020 müssen bis zu 4450 Kilometer neue „Stromautobahnen“ gebaut werden. Der Bund will die Bau- und Planungszeiten von gut zehn auf vier Jahre verkürzen und die bisherigen Kompetenzen der Länder an sich ziehen.
GEBÄUDESANIERUNG: Die Regierung will das Förderprogramm mit zinsgünstigen Krediten auf 1,5 Milliarden Euro ab 2012 aufstocken. Zudem sollen rückwirkend ab 6. Juni jährlich zehn Prozent solcher Sanierungskosten von der Steuer abgesetzt werden können. Mieter sollen während dieser Sanierungen drei Monate lang nicht mehr die Miete kürzen können; bis zu elf Prozent der Kosten können auf die Jahresmiete aufgeschlagen werden.
ÖKOENERGIEFÖRDERUNG: Ökoenergien sollen schneller marktfähig werden. Die Subventionen sollen langsam zurückgefahren werden. 2011 sind es rund 13 Milliarden Euro an Förderung. Bis 2020 soll es einen Ökostromanteil von mindestens 35 Prozent geben (derzeit rund 19 Prozent). Die Belastung für die Verbraucher, die die Ökostromumlage zum Ausbau der erneuerbaren Energien über den Strompreis bezahlen, soll nicht über die 2011 anfallenden 3,5 Cent pro Kilowattstunde (kWh) steigen.
WINDKRAFT: Für Windstrom an Land soll es jährlich 1,5 Prozent weniger geben. Derzeit sind es 9,02 Cent pro kWh Strom. 2012 gibt es nur noch 8,93 Cent/kWh. Zugleich wird aber der Austausch älterer Windräder stärker gefördert. Für Windkraft auf See soll die Vergütung um zwei auf 15 Cent steigen - garantiert für zwölf Jahre. Vor den Küsten sollen bis 2030 Kapazitäten von 25 000 Megawatt entstehen. Bisher drehen sich in Deutschland knapp 22 000 Windräder.
SOLAR: Die Solarförderung soll in diesem Jahr nicht weiter gekürzt werden. Ab 2012 gibt es aber mindestens neun Prozent weniger.
BIOMASSE: Strom aus Biogasanlagen ist sehr wichtig für die Energiewende, weil er anders als Wind und Sonne in der Produktion planbar ist. Große Anlagen sollen nicht einseitig bevorzugt werden, weil dies eine zunehmende Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion bedeuten könnte. Sie erhalten zudem für die Vergärung von Gülle nur sechs statt acht Cent pro kWh. Kleine, vor allem Reststoffe verwertende Anlagen bis 75 Kilowatt sollen künftig 25 Cent/kWh bekommen.
BAURECHT: In allen Bundesländern soll es einheitliche Kriterien für Höhengrenzen und die Ausweisung geeigneter Flächen für Windräder geben.
ENERGIEINTENSIVE INDUSTRIE: Sie soll nicht übermäßig belastet werden. Für rund 4000 mittelständische Betriebe soll es ab 2013 einen Ausgleich im Umfang von insgesamt einer halben Milliarde Euro jährlich geben. Allerdings gibt es europarechtliche Bedenken.