Hintergrund: Der Pakt für Wachstum und Beschäftigung
Berlin (dpa) - In kontroversen Verhandlungen hat sich die schwarz-gelbe Koalition mit SPD und Grünen auf die Bedingungen verständigt, unter denen die Opposition dem europäischen Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin zustimmen will.
Der „Pakt für nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung“, der am nächsten Donnerstag im Kabinett beschlossen werden soll, sieht folgende Punkte vor:
FINANZMARKTSTEUER: Sie galt als größter Streitpunkt. Da eine Zustimmung aller 27 EU-Staaten als ausgeschlossen gilt, sagt die Bundesregierung nun zu, beim EU-Gipfel am 28./29. Juni die Einführung einer solchen Steuer im Wege der verstärkten Zusammenarbeit zu beantragen. Das heißt, es müssen mindestens neun Länder mitmachen. Klappt das nicht, wird eine zwischenstaatliche Lösung mit möglichst vielen Ländern angepeilt. Das europäische Gesetzgebungsverfahren soll bis Ende 2012 beendet und die Steuer danach „unverzüglich“ in Deutschland eingeführt werden.
KONZEPT: Die Steuersätze sollen sich an den Vorschlägen der EU-Kommission orientieren. Als Mindeststeuersatz sind danach 0,1 Prozent für den Handel mit Anleihen und Anteilen und 0,01 Prozent für den Handel mit spekulativen Derivaten vorgesehen. Grundsätzlich sollen möglichst alle Finanztransaktionen erfasst werden, also Aktien, Anleihen, Investmentanteile, Devisen und Derivate. Ziel ist es, Auswirkungen auf Kleinanleger, Altersvorsorge und die Realwirtschaft zu vermeiden.
WACHSTUMSIMPULSE: Um Investitionen anzukurbeln, soll das Eigenkapital der Europäischen Investitionsbank (EIB) um zehn Milliarden Euro aufgestockt werden, finanziert werden soll das möglichst von allen EU-Staaten. Die EU-Kommission schätzt, dass die europäische Hausbank damit in den nächsten vier Jahren Kredite von 60 Milliarden Euro zusätzlich gewähren kann, mit denen Investitionen in Höhe von 180 Milliarden Euro finanziert werden könnten. Zudem will die Regierung dafür sorgen, dass der EU-Haushalt stärker auf Investitionen ausgerichtet und Fördergelder schneller ausgezahlt werden.
PROJEKTANLEIHEN: Eurobonds, also gemeinsame Anleihen von Euroländern, soll es nicht geben, wohl aber gemeinsame europäische Projektanleihen für Großprojekte in der Infrastruktur. Der EU-Sondergipfel hat schon Ende Mai beschlossen, 230 Millionen Euro aus dem EU-Budget für Stromnetze, Straßen und Datenleitungen als Garantien bereitzustellen, um private Investoren zu gewinnen. Die Bundesregierung will sich dafür einsetzen, die Pilotphase möglichst rasch in Angriff zu nehmen und die Garantien bis Ende 2013 auf eine Milliarde Euro aufzustocken.
JUGENDARBEITSLOSIGKEIT: Um die hohe Jugendarbeitslosigkeit in den Krisenländern abzubauen, sollen sich die EU-Staaten verpflichten, jungen Leuten innerhalb von vier Monaten nach dem Ende der Schulzeit oder dem Verlust des Jobs eine Arbeits-, Ausbildungs- oder Praktikantenstelle anzubieten. Eine solche „Jugendgarantie“ hat schon die EU-Kommission vorgeschlagen, Deutschland unterstützt das. Zudem sollen Firmen Einstellungszuschüsse aus dem Europäischen Sozialfonds bekommen, wenn sie arbeitslose Jugendliche beschäftigen.
SCHULDENTILGUNGSFONDS: Vor allem die Grünen hatten gefordert, Schulden von Krisenländern in einen Tilgungsfonds mit gemeinschaftlicher Haftung auszulagern, um den Staaten wieder Luft zu verschaffen. Sie konnten sich damit aber nicht durchsetzen. Die schwarz-gelbe Koalition lehnt das als Vergemeinschaftung von Schulden ab und verweist auf das „Bail-out-Verbot“, wonach ein Land nicht für die Schulden eines anderen haften darf.
FINANZSTABILITÄT: Die Wirtschafts- und Finanzpolitik in der EU soll stärker aufeinander abgestimmt werden, um die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Damit soll auch das Zinsgefälle zwischen den Eurostaaten kleiner werden. Weitere Ziele sind eine stärker integrierte Finanzaufsicht, die Beschneidung der Macht großer Finanzmarktakteure und die Regulierung von Schattenbanken.