Hintergrund: Die Akteure in der FDP-Krise
Stuttgart/Berlin (dpa) - Die Führungskrise in der FDP spitzt sich zu. Fliegen die Liberalen bei der Landtagswahl in Niedersachsen am 20. Januar aus dem Landtag oder holen nur ein mäßiges Ergebnis, wird ein Rückzug von Parteichef Philipp Rösler erwartet.
Hinter den Kulissen positionieren sich schon die Spitzenleute, um Macht und Posten neu zu verteilen. Ein Überblick über die liberalen Strippenzieher:
Philipp Rösler (39): Der Wirtschaftsminister und Vizekanzler will nicht kampflos die Spitze räumen. Viele Abgeordnete und einige Landesverbände trauen ihm aber nicht mehr zu, den Wiedereinzug in den Bundestag zu sichern. Rösler hat sein politisches Schicksal mit dem Abschneiden in seiner Heimat Niedersachsen verknüpft. Scheitert die FDP an der Fünf-Prozent-Hürde, dürfte er rasch zurücktreten. Bei knapp über 5 Prozent könnte er versuchen, sich in eine Teamlösung mit Fraktionschef Brüderle zu retten. Oder Rösler gibt den Vorsitz ab, bleibt aber Wirtschaftsminister.
Rainer Brüderle (67): Er gilt als starker Mann und Ruhepol in der Krise, in der 93 Mitglieder starken Fraktion unangefochten, von der Basis geliebt. Dreiviertel der FDP-Wähler halten den lebenslustigen Pfälzer für den besseren Parteiboss. Brüderle nimmt den Youngster Rösler gelegentlich auf die Schippe, ist aber loyal („Er ist unser Kapitän“) und will kein Königsmörder sein. Rösler entriss ihm das geliebte Wirtschaftsministerium. Das vergisst Brüderle nicht. Ruft ihn die liberale Familie als Retter, wird er es wohl machen.
Guido Westerwelle (51): Wurde 2011 durch die „Boygroup“ Rösler, Daniel Bahr und Christian Lindner von der Parteispitze verdrängt. Als Außenminister lange belächelt, ist er jetzt im Amt angekommen und auch in der Partei wieder ein Machtfaktor. Er stützt Rösler - nach außen. Westerwelles Verhältnis zu Lindner ist dem Vernehmen nach angespannt, zu Brüderle solide.
Dirk Niebel (49): Der Polarisierer gehörte als Westerwelle-Mann schon zum Verliererlager, erkämpfte sich als zupackender Entwicklungsminister aber Ansehen. Er wurde überraschend in Baden-Württemberg Spitzenkandidat für die Bundestagswahl, befeuert seitdem die Rösler-Debatte und zweifelt dessen Eignung als Spitzenmann im Bund an. Er traut sich den Vorsitz zu, dürfte aber keine Chance haben.
Christian Lindner (33): Reparierte mit einem Traumergebnis von 8,6 Prozent bei der NRW-Landtagswahl den Betriebsunfall in Berlin, wo er nach Zoff mit Rösler als Parteigeneral hinschmiss. Die einstigen Kumpel Rösler und Lindner gingen danach mal Essen, warm werden sie nicht mehr. Lindner gilt als Gesicht einer neuen, modernen FDP. Viele sähen ihn gern sofort ganz oben. Aber: „Dafür ist er zu klug. Er kann warten“, sagt ein hoher FDP-Mann. Lindner steht in NRW im Wort, als Landes- und Fraktionschef in Düsseldorf zu ackern. Er könnte unter Brüderle Bundesvize und später Nummer eins werden.
Hans-Dietrich Genscher (85): Der legendäre Außenminister mit dem gelben Pullunder mischt kräftig mit im Machtpoker. Sein Wort besitzt immer noch großes Gewicht in der FDP, seine Gunst hat Lindner. Die beiden schreiben gerade ein Buch zusammen, in Interviews lobt Genscher den Jungen über den grünen Klee. Rösler hält er für ein Leichtgewicht. Genscher werde Brüderle als Übergangschef mittragen, bis Lindners Zeit gekommen sei, heißt es in Parteikreisen.
Patrick Döring (39): Seinen Freund aus Niedersachsen machte Rösler nach Lindners Abgang zum neuen Generalsekretär. Arbeitet ordentlich, muss um seinen Job zittern, wenn Rösler fällt.
Daniel Bahr (36): Hat mit dem Verlust des NRW-Landesvorsitzes an Lindner Einfluss eingebüßt. Erreichte aber sein Ziel, Gesundheitsminister zu werden, als Rösler das Wirtschaftsressort übernahm.