Hintergrund: Euro-Rettung - nun doch wieder nicht?
Berlin (dpa) - „Ruhe im Karton“ solle in der Euro-Schuldenkrise herrschen - das kündigte die Bundesregierung schon im Mai 2010 an. Seitdem wurden immer neue Notoperationen gestartet - Politiker beteuerten stets, nun sei das Schlimmste überstanden.
Nach dem jüngsten EU-Gipfel sollte wirklich Schluss sein. Doch Griechenlands Ministerpräsident Giorgos Papandreou bringt den Karton wieder zum Rappeln.
Ein Überblick: 25. März 2010: Beim EU-Gipfel einigen sich die Euro-Länder auf einen Notfallplan für das hoch verschuldete Griechenland. Der Plan sieht freiwillige Hilfen einzelner Euro-Länder und des Internationalen Währungsfonds (IWF) vor. Griechenlands Ministerpräsident Giorgos Papandreou betont: „Griechenland ist entschlossen, mit seinen eigenen Problemen fertig zu werden.“
7. Mai 2010: Bundestag und Bundesrat stimmen dem Rettungspaket für Griechenland zu. Es beinhaltet deutsche Notkredite von bis zu 22,4 Milliarden Euro bis 2012. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagt: „Jede andere Alternative würde viel teurer, wäre viel gefährlicher, würde viel größere Risiken haben.“
10. Mai 2010: Um die Schuldenkrise einzudämmen, spannen die Finanzminister und der IWF einen Rettungsschirm (EFSF) für pleitebedrohte Euro-Mitglieder. Insgesamt 750 Milliarden Euro sollen im Notfall fließen. Der damalige Kanzleramtsminister Thomas de Maizière resümiert, jetzt komme „Ruhe in den Karton“.
28. Oktober 2010: Die EU-Staats- und Regierungschefs einigen sich auf einen ständigen Rettungsschirm, der den EFSF 2013 ablösen soll. Die Bundeskanzlerin erklärt: „Wir haben wesentliche Entscheidungen gefällt, dass wir die Stabilität des Euro auf Dauer garantieren können.“
21. November 2010: Als erstes EU-Land schlüpft Irland unter den EFSF. Europäer und IWF schnüren ein Hilfspaket von 85 Milliarden Euro. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy hält Sorgen vor einem Überschwappen auf Portugal für unbegründet: „Gerede über eine Ansteckung hat keine wirtschaftliche oder rationelle Grundlage.“
8. April 2011: Nach einem Hilferuf aus Lissabon setzt die EU ein Rettungspaket für Portugal in Gang. Höhe: Rund 80 Milliarden Euro. Schäuble sieht die Gefahr einer Ausbreitung der Krise zunächst als gebannt an: „Die Ansteckungsgefahr ist geringer geworden.“
20. Juni 2011: Die EU-Finanzminister beschließen eine Ausweitung des EFSF. Deutschlands Anteil steigt von 123 auf 211 Milliarden Euro. Damit bis zu 440 Milliarden Euro an Krediten gezahlt werden können, müssen die Euro-Länder ihre Garantien auf 780 Milliarden Euro erhöhen. Merkel verteidigt das: „Scheitert der Euro, scheitert Europa.“
21. Juli 2011: Die Chefs der Euro-Länder einigen sich bei einem Krisengipfel auf ein neues Hilfspaket für Griechenland. Umfang: 109 Milliarden Euro. Banken und Versicherungen ziehen mit einem Beitrag von zusätzlich 37 Milliarden Euro mit. Merkel: „Mit diesem Programm wollen wir die Probleme auch wirklich an der Wurzel anpacken.“
29. September 2011: Angela Merkel bekommt im Bundestag bei der Abstimmung über einen größeren Euro-Rettungsschirm die Kanzlermehrheit. Der gestärkte EFSF-Fonds erhält mehr Geld.
23. - 27. Oktober 2011: Nach einem Doppelgipfel beschließen die Staats- und Regierungschefs das bislang dickste Paket zur Eindämmung der Krise: Griechenlands Schulden werden um 50 Prozent gekappt. Nun soll es öffentliche Hilfen von 100 Milliarden Euro geben und zusätzliche Garantien im Umfang von 30 Milliarden Euro, mit denen der Schuldenschnitt begleitet wird. Die Schlagkraft des EFSF soll auf rund eine Billion Euro erhöht werden. Europas Banken ihr Kapital um mehr als 100 Milliarden Euro aufstocken. „Ich bin sehr zufrieden mit den Ergebnissen“, bilanziert Merkel. Frankreichs Finanzminister François Baroin sagt: „Das Abkommen von heute Nacht ist eine freundschaftliche, globale und glaubwürdige Antwort.“
31. Oktober 2011: Griechenlands Ministerpräsident Giorgos Papandreou kündigt eine Volksabstimmung über das neue EU-Rettungspaket an. Die Griechen können auch mit „Nein“ stimmen. Der jüngste Doppelgipfel in Brüssel wäre damit völlig umsonst gewesen. Papandreou rechtfertigt das Referendum: „Das ist ein Akt der Demokratie.“