Hintergrund: Hauptfiguren im britischen Abhörskandal
London (dpa) - Britische Reporter haben systematisch zu illegalen Abhörmethoden gegriffen, um an Informationen über Prominente, aber auch über Verbrechensopfer sowie deren Hinterbliebene zu kommen.
Die Schlüsselfiguren in dem Skandal um die Boulevardzeitung „News of the World“, der gerade das Land erschüttert:
- Rupert Murdoch: Zum Imperium des 80 Jahre alten Medienzars aus Australien gehören in Großbritannien neben dem inzwischen eingestellten Blatt „News of the World“ auch die Boulevardzeitung „The Sun“ sowie die Qualitätsblätter „The Times“ und „Sunday Times“. Murdoch kontrolliert 37 Prozent des britischen Zeitungsmarktes. Er wollte seine Medienmacht mit einem milliardenschweren Anteils-Zukauf beim Sender BSkyB weiter ausbauen, musste dies aber zunächst aufgeben. Murdoch pflegt engste Kontakte zu Spitzenpolitikern. Schon lange galt in Großbritannien als offenes Geheimnis: „Murdoch gewinnt Wahlen.“
- James Murdoch: Er gilt als Kronprinz im Medienimperium seines Vaters. Bei der britischen Senderkette BSkyB, an der Murdoch 39 Prozent hält, war der 38-Jährige zunächst Vorstandschef, zuletzt Aufsichtsratsvorsitzender. Der in London geborene James leitet die Europa-Aktivitäten für News Corp. Sein Stern könnte mit der Abhöraffäre sinken. BSkyB-Aktionäre diskutieren offen seine Ablösung.
- Rebekah Brooks: Die „Power-Frau“ in der Macho-Welt des britischen Boulevardjournalismus war bis 2003 Chefredakteurin von „News of the World“ - just in der Zeit, in der das illegale Abhören bei der Zeitung zum System zu gehören schien. Die 43-Jährige mit der roten Lockenmähne wechselte dann zur „Sun“ und leitete bis zu ihrem Rücktritt am vergangenen Freitag als Verlagsmanagerin die Medienholding News International, zu der alle britischen Murdoch-Zeitungen gehören. Mit ihren engen Kontakten in die Downing Street könnte sie für Regierungschef David Cameron zur Belastung werden.
- Andy Coulson: Auch der Nachfolger von Brooks als Chefredakteur von „News of the World“ könnte für Premierminister David Cameron zur Zeitbombe werden. Obwohl Coulson schon 2007 wegen des Skandals als Chefredakteur abtrat, gab Cameron ihm eine „zweite Chance“ und machte ihn schließlich zum Kommunikationschef. Zum wohl einflussreichsten Strippenzieher der Downing Street aufgestiegen, musste Coulson im Januar dieses Jahres auch dort gehen. Der 43-Jährige wird nicht nur beschuldigt, er habe von den Praktiken seiner Reporter gewusst - ihm wird sogar vorgeworfen, Schmiergeldzahlungen an Polizisten abgesegnet zu haben. Am 8. Juli wurde er vorübergehend von der Polizei festgenommen.
- Sean Hoare: Der am Montag im Alter von 47 Jahren gestorbene Ex-Journalist hat Coulson als erster schwer belastet. Der „New York Times“ hatte der ehemalige Showbusiness-Reporter von „News ot the World“ erzählt, wie sein früherer Freund Coulson ihn persönlich animierte, „schwarze Künste“ anzuwenden. Hoare galt als alkohol- und drogenabhängig und wurde aus diesem Grund schon 2005 von Coulson gefeuert. Dem „Guardian“ hatte er vor seinem Tod erzählt, wie er täglich drei Gramm Kokain und Unmengen Alkohol konsumierte, um im Leben von Rockstars mitzuhalten. Sein Arzt habe sich schon vor Wochen gewundert, dass er überhaupt noch am Leben sei, sagte er der Zeitung.
- Sir Paul Stephenson: Der 57-Jährige stand nur zweieinhalb Jahre an der Spitze der renommierten Londoner Polizeibehörde Scotland Yard. Er musste zurücktreten wegen seiner Nähe zu dem früheren „News-of-the-World“-Reporter Neil Wallis, den er als PR-Strategen anheuerte. Zusammen mit seiner Frau hatte Stephenson sich einen Kuraufenthalt teilweise bezahlen lassen. Auch für die Kureinrichtung machte Wallis die Werbung. Beamte von Scotland Yard sollen ferner Geld von Journalisten angenommen haben, um Informationen herauszugeben. Reporter sollen sogar Zugang zu spezieller Polizeitechnik bei der Ortung von Zielpersonen erhalten haben.
- John Yates: Er war einer der Männer hinter Stephenson bei Scotland Yard und im Jahr 2009 dafür verantwortlich, dass eine erneute Untersuchung des wieder aufgeflammten Abhörskandals unterblieb. Lediglich acht Stunden soll er das umfangreiche Material geprüft haben, ehe er die Akten vorschnell schloss. Yates sprach damals von „acht bis zwölf“ Betroffenen der Abhöraffäre - in Wirklichkeit waren es 4000. Yates, der früher für die Terrorismusbekämpfung in Großbritannien zuständig war, wird ebenfalls eine ungesunde Nähe zu Neil Wallis nachgesagt. Auch dessen Tochter soll er einen Job bei Scotland Yard verschafft haben. Er selbst hat nach eigener Aussage ein „reines Gewissen“ und fühlt sich als Opfer falscher Anschuldigungen.