Hintergrund: Renommierte Neueinsteiger und Experten
Berlin (dpa) - Die neue Bundesregierung hat sich - für viele überraschend - renommierte Fachleute von außen an Bord geholt. Sie wirken erfahrungsgemäß eher im Hintergrund. Angesichts der schwierigen Aufgaben, die von Schwarz-Rot zu lösen sind, gilt die Auswahl der Expertenriege aber als guter Schachzug.
ARBEIT/SOZIALES:
JÖRG ASMUSSEN: Die neue Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) fädelte den spektakulärsten Wechsel dieser Regierungsbildung ein: Sie holte den „Außenminister“ im Direktorium der Europäischen Zentralbank (EZB) von Frankfurt am Main nach Berlin - als beamteten Staatssekretär im Ministerium für Arbeit und Soziales. Bei der EZB verteidigte der 47-Jährige die umstrittenen Krisenhilfen der Euro-Währungshüter.
Asmussen wurden Job und Reisen aber zu stressig, es zog ihn zurück nach Berlin zu seiner Frau und den beiden Kindern. Dorthin, wo der Top-Beamte schon einmal - von 2008 bis 2011 - als Staatssekretär im Bundesfinanzministerium wirkte. In der Finanzkrise gehörte Asmussen zum kleinen Führungszirkel, der die Bankenrettung steuerte. Wenn der in der Finanzwelt bestens vernetzte Manager mit Beamtenstatus mal Zeit hat, entspannt er bei Touren auf dem Rennrad.
WIRTSCHAFT/ENERGIE:
RAINER BAAKE: Ausgerechnet ein Grüner wird unter Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel Stratege zur Gestaltung der Energiewende. In Hessen diente Baake schon Umweltminister Joschka Fischer, von 1998 bis 2005 war er Staatssekretär im Bundesumweltministerium unter Jürgen Trittin, von 2006 bis 2012 war er das Gesicht der Deutschen Umwelthilfe (DUH).
Zuletzt leitete er die Stiftung Agora Energiewende, deren heiß diskutiertes Reformkonzept auch von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in den Sondierungsgesprächen mit den Grünen thematisiert wurde. Nun wird Baake Gabriels Staatsekretär im neu zugeschnittenen Wirtschafts- und Energieministerium.
JOCHEN FLASBARTH: Seit 2009 ist er Präsident des Umweltbundesamtes (UBA) und hat sich einen Ruf als Fachmann auf allen Gebieten der deutschen Umweltpolitik erworben. Er unterstützt nach Kräften die Energiewende, sorgt sich ob der zuletzt steigenden CO2-Emissionen, setzt sich für eine generelle Abgabenpflicht auf Plastiktüten ein, um die Menge als Plastikabfällen einzudämmen. Der 51 Jahre alte gebürtige Duisburger wird als neuer Umwelt-Staatssekretär rechte Hand der bisher in Umweltfragen eher unerfahrenen Ministerin Barbara Hendricks (SPD).
JUSTIZ/VERBRAUCHERSCHUTZ:
GERD BILLEN: Bisher war der 58-Jährige ein Mahner, Antreiber und Kritiker der Verbraucherpolitik - jetzt kann er selbst mitgestalten. Nach sechs Jahren als Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) wechselt Billen in die Politik und wird beamteter Staatssekretär im neu zugeschnittenen Ressort für Justiz und Verbraucherschutz. Vor seiner Zeit beim vzbv war der Vater dreier Töchter von 1993 bis 2005 Bundesgeschäftsführer des Naturschutzbunds Deutschland (Nabu). Bis 2007 leitete er den Bereich Umwelt- und Gesellschaftspolitik bei der Otto Group.
Nach dem Studium der Sozial-, Ernährungs- und Haushaltswissenschaften in Bonn war er zunächst freier Journalist und Pressesprecher im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz. Bei öffentlichen Terminen tritt Billen meist ruhig auf, kann aber auch sehr scharfzüngig formulieren.