Hintergrund: Syriens Chemiewaffen unter Kontrolle - geht das?

Berlin (dpa) - Auf Druck der USA und Russlands hat sich das Regime von Syriens Machthaber Baschar al-Assad dazu bereiterklärt, seine Chemiewaffen-Bestände unter Kontrolle zu stellen. Kann das funktionieren?

Im Folgenden dazu einige der wichtigsten Fragen.

Darf Assad Chemiewaffen überhaupt besitzen?

Nach dem Ende des Kalten Krieges hat die Völkergemeinschaft alle Chemiewaffen offiziell geächtet. Dazu gibt es seit 1997 eine eigene Konvention. Verboten ist nicht nur der Einsatz von Chemiewaffen, sondern auch Entwicklung, Herstellung, Verbreitung und Besitz. Aber: Syrien ist eines von fünf Ländern, die diesen Vertrag nie unterzeichnet haben. Jetzt drängen alle, dass Assad sofort unterschreibt - als Beleg dafür, dass er es mit seiner Ankündigung tatsächlich ernst ist.

Wie viele und welche Chemiewaffen hat Assad?

Genau weiß das im Ausland niemand. Fest steht aber, dass Syrien schon seit den 1970er Jahren über chemische Kampfstoffe verfügt. Experten schätzen: etwa 1000 Tonnen. Dazu zählen das hautschädigende Senfgas, das Nervengas Sarin und möglicherweise die noch stärker wirkende Chemikalie VX. Zum Vergleich: In Libyen wurden 27 Tonnen verortet. Zu Zeiten des Kalten Krieges gab es nach Angaben der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) weltweit mehr als 70 000 Tonnen. Davon sind nun etwa 80 Prozent vernichtet.

Wie können die Bestände kontrolliert und gesichert werden?

Vermutet wird, dass es in ganz Syrien etwa 50 Produktions- und Lagerstätten gibt. In einem Land, das sich mitten im Bürgerkrieg befindet, wäre eine internationale Kontrolle nur mit riesigem militärischem Aufwand möglich. Das US-Verteidigungsministerium schätzte vergangenes Jahr, dass dafür etwa 75 000 Soldaten notwendig wären. Zuständig wären dann wohl Blauhelme der Vereinten Nationen - ein extrem gefährlicher Job. Die Bereitschaft, dafür Soldaten abzustellen, dürfte in vielen Ländern sehr gering sein. In Deutschland ist das praktisch ausgeschlossen.

Wie könnte eine Lösung trotzdem aussehen?

Die beste Variante wäre wohl, die Chemiewaffen möglichst schnell außer Landes zu schaffen und sie dann zu vernichten. Das brächte allerdings viele Probleme mit sich. Der Transport von solch großen Mengen Giftgas ist extrem gefährlich. Und außerdem: Wohin damit? Die USA oder Russland als mögliche Lagerorte sind weit weg, Syriens Nachbarn fallen aus vielerlei Gründen aus. Giftgas-Experte Ralf Trapp von der OPCW meint deshalb: „Die einzige praktische Lösung ist ein Zwischenlager in Syrien selbst.“

Wie werden Chemiewaffen überhaupt vernichtet?

Das Verfahren ist komplex, gefährlich und teuer. In der Regel werden die Bestände in eigens dafür gebauten Anlagen verbrannt. Oder die gefährlichen Substanzen werden chemisch in ihre Bestandteile zerlegt. Die Reste müssen dann entsorgt werden. Möglich ist das auch in mobilen Anlagen. Dafür sind die Bestände in Syrien jedoch zu groß. Also müsste wohl eigens eine Anlage gebaut werden. Die Beseitigung würde sich also über viele Jahre hinziehen.

Was könnte Deutschland beitragen?

Außenminister Guido Westerwelle bot am Dienstag bereits an: „Wir haben bei der Vernichtung von Chemiewaffen erhebliche Erfahrung und auch entsprechende Programme.“ Deutschland half beim Bau von drei Anlagen, mit denen Altlasten der Sowjetunion zerstört wurden. Derzeit sind deutsche Experten an der Vernichtung von Chemiewaffen in Libyen beteiligt. Am Geld dürfte deutsche Hilfe nicht scheitern.

Wie sicher ist es, dass eine solche Lösung funktioniert?

Es gibt große Zweifel daran. Vorbilder dafür gibt es bislang keine. Der Giftgas-Experte Trapp fasst das so zusammen: „Wir sind mitten in einem Bürgerkrieg - und die Chemiewaffen befinden sich mittendrin. Wenn alle Seiten sich darüber einig sind, kann das möglicherweise gemacht werden. Aber einfach wird das nicht.“