Hintergrund: USA in der riskanten Schuldenspirale

Berlin/Washington (dpa) - Können die USA die Schuldenspirale jetzt stoppen? Und wie wird sich ihr Sparpaket auf die ohnehin schwache Konjunktur auswirken? Experten bleiben sorgenvoll - auch mit Blick auf Europas Schuldenkrise.

Die USA treten erstmals seit der Finanzkrise auf die Sparbremse, schrauben aber zugleich ihre Schuldengrenze bis Ende 2013 auf die unfassbare Höhe von mehr als 17 Billionen Dollar.

Wie kam es überhaupt zu diesem Schuldendilemma?

Der große Schuldenschub ist nicht nur den hohen Militärausgaben durch den Irak- und Afghanistan-Krieg geschuldet. Die Amerikaner haben sich in den vergangenen Jahren vor allem so hoch verschuldet, um die Folgen der schweren Weltwirtschaftskrise aufzufangen. So stieg die Verschuldung allein 2009 um fast 19 Prozent oder fast 1,9 Billionen Dollar.

Wie weit kann ein Staat die Verschuldung treiben?

Grundsätzlich gibt es keine Grenze für die Verschuldung. Ökonomen gehen aber im allgemeinen davon aus, dass ein Schuldenberg, der 90 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung, also des Bruttoinlandsprodukts (BIP) übertrifft, das Wachstum bremst. Der Staat konkurriert mit den privaten Investoren um Kredite. Die Zinsbelastung für den Staat steigt drastisch, der Spielraum für wichtige Ausgaben sinkt - beispielsweise in die Infrastruktur.

Investoren verlieren das Vertrauen. Die Angst der Verbraucher vor Inflation wächst, sie schränken sich ein - die Konsumausgaben sinken. Es droht dann sogar Deflationsgefahr, also eine Abwärtsschraube von Preisen, Produktion und Verbrauch. Der Wirtschaft droht eine Rezession.

Die USA haben schon die Marke von 100 Prozent bei der Staatsverschuldung übertroffen. Haben Sie damit Probleme?

Selbst mit über 100 Prozent gelingt den USA zwar eine problemlose Finanzierung ihrer Staatsschulden. Als Wirtschaftsmacht Nummer eins nehmen sie eine Sonderrolle ein: Sie haben sich einen enormen Vertrauensvorschuss in der Welt erarbeitet und stellen auch mit dem Dollar die globale Leitwährung.

„Sie dominieren die Anleihe- und Aktienmärkte, zu ihrer Vormachtstellung wird es auch die nächsten Jahre keine Alternative geben“, sagt der frühere Chefvolkswirt der HypoVereinsbank, Martin Hüfner. Und die USA bekommen wie Deutschland die beste Noten für ihre Kreditwürdigkeit durch die Ratingagenturen. Doch ihre Wirtschaft warten immer noch auf ein Comeback nach der Krise: Die Konjunkturprogramme haben wenig bewirkt, dass die Konjunktur anspringt. Die Arbeitslosigkeit ist weiter hoch.

Was ist, wenn der Vertrauensvorschuss verloren geht?

Die US-Wirtschaft lebt auf Pump. Die Amerikaner konsumieren seit Jahren mehr, als sie erwirtschaften, ihre Konsumquote ist die höchste unter den großen Industrienationen. Um das Ungleichgewicht wieder ins Lot zu bekommen, müssen sie nun sparen. Ohne verbindliche Sparvorgaben droht eine Abstufung der Bonität durch die Ratingagenturen: Das hätte höhere Zinsen und damit einen höheren Schuldendienst zur Folge. Besonders China als größter ausländischer Gläubiger fürchtet, dass die USA ihre Schulden nicht in den Griff bekommen.

Die Amerikaner wollen nun erste Sparziele beschließen. Warum wird darüber gestritten?

Einige Ökonomen befürchten, dass die schwache Konjunktur in den USA weiter abgewürgt wird, weil die staatlichen Investitionen beispielsweise in Straßen zurückgefahren werden. So warnt Nobelpreisträger Paul Krugmann in der „New York Times“ vor Ausgabenkürzungen: Diese würden die Wirtschaft weiter beschädigen und das Problem nur verschlimmern.

Andere schätzen die Gefahr geringer ein. „Dass die Amerikaner jetzt erstmals sparen, damit haben sie ein positives Signal gesetzt“, erklärt Hüfner. Im kommenden Jahr gebe es lediglich Einsparungen von 0,2 Prozent vom BIP, wie Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg-Bank sagt.

Und wie wird die Notenbank reagieren?

Die US-Notenbank versucht, mit einer Politik des billigen Geldes bei Leitzinsen nahe Null die schwache US-Konjunktur zu stützen. Zwar hatte die USA eine höhere Inflationsrate von zuletzt 3,6 Prozent. Dennoch gehen Ökonomen nicht davon aus, dass die Inflation rasant zunimmt.

Wo lauern dann die Gefahren?

„Der Schuldenstreit in den USA hat viel Porzellan zerschlagen. Die USA haben an Vertrauen verloren“, sagt Volkswirt Schmieding. Doch weniger die USA als die Probleme der Eurozone dürften wieder in den Fokus der Finanzmärkte rücken. Denn die Schuldenkrise ist längst nicht ausgestanden. „Es ist ein heißer Start in den Monat August zu erwarten“, sagt Schmieding. Für die Krisenländer der Eurozone sei noch keine tragfähige Lösung gefunden worden. „Dass die Renditen für die Staatsanleihen Spaniens und Italiens hoch sind und noch weiter steigen, ist alarmierend.“