„Yes I can“ - Giffords Comeback
Washington (dpa) - Wochenlang hatten sie sich auf das Bitterste bekriegt, die Republikaner und Demokraten im Abgeordnetenhaus. Aber dann, just in den entscheidenden letzten zwei Minuten der Abstimmung über den Schulden-Kompromiss, war davon plötzlich nichts mehr zu spüren - wenigstens für den Moment.
Niemand blickte mehr auf die Tafel, die gerade anzeigte, dass noch rund 20 Stimmen zur Billigung der Gesetzesvorlage fehlten. Alle schauten auf Gabrielle Giffords - eine zierliche Frau in blaugrüner Jacke, mit großen Brillengläsern, kurzen Haaren und einer sichtbaren Narbe auf der Kopfhaut.
Jubel brach aus, tosender Applaus, ein Abgeordneter ließ Manieren Manieren sein und kletterte auf einen Stuhl, um auch nichts zu verpassen. „Gabby is back“, verkündeten Fernsehreporter mit sich überschlagender Stimme. Dass die Ja-Stimmen dann rasch die notwendige Zahl erreichten, der Kompromiss „im Haus“ durchgekommen war, hätten sie beinahe verpasst.
Ein Attentäter hatte der Demokratin Giffords am 8. Januar in Arizona in den Kopf geschossen. 90 Prozent der Menschen mit derart schweren Schussverletzungen überleben nicht, sagen Experten, aber Gabby überraschte alle. Stetig, beharrlich machte sie Fortschritte, mit ihrem Mann, dem inzwischen pensionierten Nasa-Astronauten Mark Kelly als Stütze.
Dennoch: Mit der Rückkehr der 41-Jährigen hatte an diesem Tag keiner gerechnet - bis auf einige wenige Spitzen-Parlamentarier, die vorher eingeweiht worden waren. Unklar blieb auch, ob es ein dauerhaftes Comeback ist oder ob es zunächst nur eine Stippvisite war.
Zweimal zuvor, 2009 und 2010, hatte Giffords, die längst nicht immer auf Parteilinie liegt, gegen eine Anhebung des US-Schuldenlimits gestimmt, wie sie der Kompromiss vorsieht. Aber in diesem Fall, so erläuterte ihr Büro, habe sie sich mit Blick auf die drohenden Schäden für die Wirtschaft anders entschieden.
Und so kam sie am Montagabend aus einer Tür auf der demokratischen Seite im Abgeordnetenhaus, ging zur Wahlmaschine. Auf der Tafel tauchte neben ihrem Namen ein Y für Yes auf - schon fast symbolisch, empfanden es viele Beobachter: Ja zum Gesetz, Ja zum Leben. 678 Mal hatte das Abgeordnetenhaus davor ohne Giffords abgestimmt, war der Raum neben ihrem Namen leergeblieben.
Sie ging etwas wackelig, hat nach wie vor Probleme mit dem Gefühl in der rechten Körperseite. Wenn sie sprach, dann langsam und, wie es schien, mit etwas mühsamen Mundbewegungen. Ihr rechter Arm war bandagiert. Früher trug sie Kontaktlinsen, jetzt trägt sie eine Brille. Vor dem Schicksalstag waren die Haare blond und kinnlang, jetzt wachsen sie nach der Serie von Operationen nach und sind dunkel. „Aber das Lächeln ist gleichgeblieben“, schrieb eine Zeitung.
Und sie lächelte immer wieder, etwas verlegen manchmal, überwältigt vom Empfang, den ihr die Kollegen und Kolleginnen beider Seiten bereiteten. Es gab jede Menge Umarmungen und Küsse, Taschentücher wurden gezogen. „Es gibt keinen Namen, der mehr Liebe, mehr Bewunderung, mehr Respekt auslöst,“ sagte die demokratische Fraktionschefin Nancy Pelosi später in einer kleinen Rede. „Danke, Gabby.“
„Ich habe die Debatte über unser Schuldenlimit verfolgt und war zutiefst enttäuscht über die Vorgänge in Washington“, erklärte Giffords selbst nach dem Votum in einer schriftlichen Mitteilung. „Nach Wochen einer verfehlten Debatte...habe ich mich darüber gefreut, dass sich eine Lösung abzeichnete. Ich glaube fest daran, dass Kompromissbereitschaft zum Wohl des amerikanischen Volkes wichtiger ist als parteipolitisches Kalkül. Ich musste einfach zur Abstimmung hier sein.“
Da blieb dem demokratischen Abgeordnete Peter Welch nur noch ein Kommentar: „ Das ist die beste Erfahrung, die ich je im Kongress hatte.