Hollande: Anschläge tragen IS-Handschrift

Paris/Berlin (dpa) - Die beispiellosen Anschläge von Paris sind nach Worten des französischen Präsidenten François Hollande ein „Kriegsakt“ der Terrormiliz Islamischer Staat (IS).

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Gut zwölf Stunden nach den Attacken mit mindestens 129 unschuldigen Todesopfern machte Hollande das radikal-islamische Netzwerk direkt verantwortlich und kündigte „angemessene Entscheidungen“ an. Wenig später tauchte im Internet eine zunächst nicht verifizierbare Erklärung auf, in der sich der IS zu den Anschlägen bekennt.

Eine erste Spur der Ermittlungen führte nach Belgien. Bei einem Großeinsatz nahm die Polizei mehrere Menschen fest, wie ein Sprecher von Justizminister Koen Geens nach Angaben der belgischen Nachrichtenagentur Belga sagte. In Paris sei ein Mietwagen mit einer Verbindung in den Brüsseler Stadtteil Molenbeek entdeckt worden. Schwer bewaffnete Polizisten durchsuchten dort mehrere Wohnungen.

Terrorattacke in Paris
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In der Internet-Botschaft im Namen des IS hieß es: „Eine treue Gruppe der Armee des Kalifats (...) griff die Hauptstadt der Unzucht und Laster an.“ Darin wird Frankreich gedroht: „Dieser Überfall ist nur der erste Tropfen Regen und eine Warnung (...).“

Bei einem der Attentäter wurde ein syrischer Pass gefunden, berichtete die französische Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf Polizeikreise. Nach offiziellen Angaben aus Athen soll er Anfang Oktober als Flüchtling aus der Türkei nach Griechenland gekommen sein. Durch welche andere Länder er weiterreiste, war nicht bekannt, wie das Ministerium für Bürgerschutz mitteilte.

Hollande sagte nach einer Sitzung seines Sicherheitskabinetts in Paris, die Tat sei „von außerhalb“ geplant worden. Ermittlungen sollten nun die Beteiligung von Mittätern in Frankreich klären. „Alle Maßnahmen sind getroffen worden, um unsere Mitbürger und unser Staatsgebiet zu schützen.“ In der Nacht hatte Hollande bereits den Ausnahmezustand ausgerufen und die Grenzkontrollen verstärken lassen.

Auch Staats- und Regierungschefs in aller Welt richteten sich auf einen verstärkten Kampf gegen den Terror ein. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte dem Nachbarland „jedwede Unterstützung“ zu. US-Präsident Barack Obama verurteilte die Anschläge als „abscheulichen Versuch“, die Welt zu terrorisieren. „Wir werden tun, was immer auch getan werden muss, um diese Terroristen zur Verantwortung zu ziehen.“ Syriens Machthaber Baschar al-Assad machte indes den Westen für die Ausbreitung des Terrors mitverantwortlich.

Bei mehreren nahezu gleichzeitigen Terrorattacken von mindestens acht Tätern waren am Freitagabend in Paris mindestens 128 Menschen getötet worden. Etwa 300 wurden verletzt, Dutzende davon schwer. Damit handelt es sich um die schlimmste Terrorserie in Europa seit mehr als zehn Jahren. Im März 2004 waren bei mehreren Anschlägen auf Züge in Madrid 191 Menschen getötet und annähernd 2000 verletzt worden - auch diese Anschläge gingen auf das Konto islamistischer Terroristen.

Die Pariser Attentäter schossen an verschiedenen Orten der Hauptstadt wild um sich und zündeten mehrere Bomben. Allein in der Konzerthalle „Bataclan“ richteten sie ein Massaker mit mindestens 80 Toten an. Vier Tote gab es in der Nähe des Stadions Stade de France, wo gerade das Fußball-Länderspiel Deutschland gegen Frankreich stattfand. Die Anschläge ereigneten sich nur zehn Monate nach dem Attentat auf die Satirezeitung „Charlie Hebdo“ in Paris. Das Auswärtige Amt hatte zunächst keine Gewissheit, ob unter den Opfern auch Deutsche sind.

Merkel sagte, dieser Angriff auf die Freiheit „meint uns alle“. Daher müssten nun auch alle gemeinsam den Kampf gegen den Terror führen. Bundespräsident Joachim Gauck appellierte: „Aus unserem Zorn über die Mörder müssen Entschlossenheit und Verteidigungsbereitschaft werden. Auch dabei stehen wir an der Seite der Franzosen.“ Er betonte: „Aber die Terroristen werden nicht das letzte Wort haben, diese Nacht wird nicht das letzte Wort haben.“ SPD-Chef Sigmar Gabriel warnte davor, angesichts des Terrors Vorbehalte gegenüber muslimischen Flüchtlingen zu schüren. Ein freier Staat sei immer verwundbar und verletzlich.

Sieben der acht Angreifer sprengten sich selbst in die Luft, ein Terrorist wurde von der Pariser Polizei erschossen. Bei dem Überfall auf die Konzerthalle „Bataclan“ soll einer der Männer „Allah ist groß“ gerufen haben. Ein Augenzeuge berichtete, dass die Angreifer ihre Tat mit Frankreichs Militäreinsatz in Syrien begründet hätten. Das schlimmste Bild bot sich in der Konzerthalle: Laut Augenzeugen waren mehrere unmaskierte Männer in den ausverkauften Saal gestürmt. Mit Sturmgewehren schossen sie um sich, der Boden war anschließend übersät mit Leichen.

Zwei Explosionen vor dem Stade de France hatte Hollande auf der Ehrentribüne beim Fußballspiel Frankreich-Deutschland mit angehört, zusammen mit Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, der an seiner Seite saß. Gleich danach ließ er sich in der Schaltzentrale des Stadions telefonisch über die Ereignisse unterrichten. Noch während des Spiels wurde der Präsident aus dem Stadion gebracht.

Die deutschen Behörden gehen nach Angaben von Bundesinnenminister Thomas de Maizière mit Hochdruck möglichen Bezügen nach Deutschland nach. Der CDU-Politiker verwies auf den Fall eines 51 Jahre alten Autofahrers, der möglicherweise auf dem Weg nach Paris vor gut einer Woche in Oberbayern mit einem großen Waffen-Arsenal aufgeflogen war. Der Fall werde gerade aufgeklärt, betonte der Minister nach einer Krisensitzung im Kanzleramt. „Es gibt einen Bezug nach Frankreich, aber es steht nicht fest, ob es einen Bezug zu diesem Anschlag gibt.“ De Maizière betonte, die Lage sei ernst: „Auch Deutschland steht unverändert stark im Fadenkreuz des internationalen Terrorismus.“

Die großen Industrie- und Schwellenländer (G20) wollen bei ihrem am Sonntag beginnenden Gipfel in der Türkei ebenfalls Front gegen den Terrorismus machen. Der türkische Staatspräsident und G20-Gastgeber Recep Tayyip Erdogan forderte einen internationalen Konsens dafür. Der Gipfel findet unter strengen Sicherheitsvorkehrungen im Küstenort Belek nahe Antalya statt. 12 000 Sicherheitskräfte sind im Einsatz.