„Ich kann arbeiten alles“ - Jobvermittlung für Flüchtlinge
Berlin (dpa) - Der 40-Jährige ist Maschinenbauingenieur. Fünf Jahre Studium gibt er an. Guter Abschluss, mehrere Jahre Berufserfahrung. Vor sieben Monaten ist der Mann mit den eindringlichen braunen Augen aus Syrien geflohen.
Jetzt sucht er einen Job in Deutschland - irgendeinen. „Ich kann arbeiten alles“, schreibt er in seiner Bewerbung.
An eine Anstellung als Maschinenbauer glaubt der Ingenieur kaum. Dabei werden Maschinenbauingenieure laut Bundesagentur für Arbeit in Deutschland gerade überdurchschnittlich häufig gebraucht. Doch die Hindernisse für arbeitssuchende Asylbewerber sind gewaltig. Schon die Aufgabe, 800 000 Flüchtlingen einen Schlafplatz, Decken und Kleidung zu organisieren, droht Gemeinden vielerorts zu überfordern. Ihnen eine Zukunft - also Arbeit - zu geben, noch viel mehr.
Dabei könnte es einfach sein, haben sich zwei Berliner Studenten gedacht. Arbeitssuchende hier, Arbeit da, man müsse sie nur zusammenbringen. David Jacob und Philipp Kühn haben eine Jobbörse im Internet aufgemacht. Sie ist Teil ihrer Abschlussarbeit im Kommunikationsdesign-Studium.
Sowohl Bewerber wie Firmen können auf www.workeer.de Profile anlegen. Flüchtlinge geben Beruf, Wohnort, Sprachkenntnisse an, Firmen offene Stellen und das angebotene Gehalt. Viele bieten Mindestlohn, einige unbezahlte Praktika. Doch es sind auch Jobs dabei wie der in einer Apotheke im Sauerland: Unbefristet, 3600 Euro im Monat, „Wir freuen uns auf Sie!“.
Mehr als 640 Bewerber und 780 Stellen sind derzeit öffentlich gelistet, deutlich mehr noch einsehbar für angemeldete Nutzer. Doch wie viele Arbeitsverhältnisse wirklich entstanden sind, können Jacob und Kühn nicht sagen. „Wir können nicht richtig einschätzen, ob überhaupt etwas zustande gekommen ist“, erläutert Jacob. Manchmal hörten sie von Bewerbungsgesprächen - nicht aber, wie es weiter gehe.
Auch eine schwedische Firma will Flüchtlingen zu Arbeitsplätzen verhelfen - mit einer App ähnlich der Dating-App Tinder. Passen Arbeitssuchender und Arbeitgeber zusammen, öffnet sich ein Chat. Bislang ging das nur in skandinavischen Sprachen, auf Englisch, Deutsch und Spanisch. Bald sollen Flüchtlinge Lebensläufe auch in der Muttersprache hochladen können. Auch der Chat werde übersetzt, sagt Martin Tall, der Chef des Anbieters „Selfiejobs“. Die neuen Funktionen sollen Mitte Dezember startklar sein.
Doch so einfach, wie man sich das vorstellt, ist die Jobvermittlung nicht: Zwar dürfen Flüchtlinge im laufenden Asylverfahren und geduldete Zuwanderer mit Zustimmung der örtlichen Ausländerbehörde inzwischen nach drei Monaten arbeiten. Doch noch gilt die sogenannte Vorrangprüfung, die erst nach 15 Monaten fällt. Steht ein Deutscher oder ein EU-Bürger für den Job zur Verfügung, bekommen Asylbewerber keine Beschäftigungserlaubnis.
Arbeitgeber dringen auf eine Lockerung dieser Regel. Die Politik müsse dafür sorgen, „dass Asylbewerber nicht viele Monate vom Arbeitsmarkt ferngehalten werden“, sagte der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Ingo Kramer, gerade der „Süddeutschen Zeitung“. Arbeitsagentur-Chef Frank Jürgen Weise betonte, Flüchtlinge nähmen den deutschen Arbeitslosen keine Jobs weg. „Die Firmen haben so viele offene Stellen wie noch nie, und es fällt immer schwerer, diese zu besetzen.“
Ohne Zuwanderung, so die Prognose, wird Deutschland bis 2025 mehr als 6,5 Millionen Menschen im erwerbsfähigen Alter verlieren. Der Bedarf an Fachkräften ist jetzt schon groß. Auch über die Jobbörse workeer suchen Unternehmen Elektroinstallateure, Pflegekräfte, Fliesenleger, Köche, Zahnärzte. Es bewerben sich Elektroingenieure, Krankenpfleger Tischler, Köche, Mikrobiologen.
Gründe, einen Flüchtling anzustellen, gebe es einige, meinen Jacob und Kühn. Einige listen sie auf ihrer Webseite auf. Darunter: „motivierte und engagierte Arbeitskräfte“, eine bereichernde „besondere Lebensgeschichte“, Entlastung für das deutsche Sozialsystem. Und nicht zuletzt: „Viele von ihnen verfügen über Ausbildungen oder Studienabschlüsse in Branchen, in denen es in Deutschland an Fachkräften mangelt.“