Israel und Palästinenser trauern Mubarak nach
Tel Aviv/Gaza/Ramallah (dpa) - Gedrückte Stimmung in Jerusalem und Ramallah - Freudenschüsse in Gaza. Der Abgang des ägyptischen Staatschefs Husni Mubarak wird die Karten in Nahost neu mischen.
Israel, die moderate Palästinenserführung um Präsident Mahmud Abbas sowie radikale Palästinensergruppen sehen den politischen Neuanfang im Nachbarland mit gemischten Gefühlen.
Die israelische Führung ist sich treugeblieben. Bereits während der vergangenen zwei Wochen, als sich der politische Abgang Mubaraks in Raten abzeichnete, gab es aus Jerusalem keine offiziellen Regierungserklärungen. Wie es um die Gefühlslage der politischen Elite in Israel bestellt ist, demonstrierte allerdings Anfang der Woche eine dreitägige Sicherheitskonferenz in Herzlija.
Die Sorgen lassen sich wie folgt zusammenfassen: Israel hat Angst, dass islamische Fundamentalisten in Ägypten oder aber auch der Iran den Demokratisierungsprozess für sich vereinnahmen könnten und plötzlich ein feindlich gesinnter Nachbar vor der Tür steht. Es besteht auch die Sorge, dass der 1979 geschlossene Friedensvertrag Opfer der politischen Umwälzung wird. Die Armee bereitet sich auf mögliche Bedrohungen der Sicherheit Israels vor - auch an der 200 Kilometer langen Grenze zu Ägypten.
Thema Isolation: Israel verlor im vergangenen Jahr bereits einen engen Verbündeten, die Türkei. Jetzt treibt Israel die Sorge um, dass sich Ägypten nur mit sich selbst beschäftigt und der Einfluss der Türkei und des Erzfeindes Iran in der Region auf Kosten Ägyptens wachsen wird. Dazu kommt folgende Überlegung: Sollte die politische Umwandlung in Ägypten gutgehen so wie seinerzeit in Indonesien, dann wäre Israel nicht mehr der einzige Leuchtturm der Demokratie in Nahost, wie es sich selbst bezeichnet. Diese mit vielen Vorteilen verbundene Ausnahmestellung könnte verloren gehen.
Der dritte große Sorgenkomplex umfasst das Thema Friedensverhandlungen. Ägypten war eine moderate Stimme. Wenn gar nichts mehr ging, flogen wechselnde israelische Ministerpräsidenten zu Mubarak und baten um Unterstützung. Jetzt geht es darum, ob die neuen Machthaber in Ägypten auf Distanz zu Israel gehen und sich mit offener und lautstarker Kritik nicht mehr zurückhalten.
Auch Abbas verliert mit Mubarak eine Art großen Bruder, der ihn immer wieder in Schutz nahm, wenn es aus dem arabischen Lager Kritik an den Verhandlungen mit Israel hagelte. Der Sprecher der Autonomiebehörde in Ramallah, Ghassan Chatib, sagt jedoch: „Wie auch immer der Wandel in Ägypten sein wird, ich glaube nicht, dass er die Unterstützung Ägyptens für die palästinensische Sache und die gerechte Forderung der Palästinenser nach einem Ende der Besatzung schwächen wird.“
Der politische Kommentator Hani Masri sieht langfristig sogar Vorteile für die Palästinenser. „Israel hat einen seiner stärksten Verbündeten in der Region verloren. (...) Wir erwarten, dass sein Nachfolger, wer immer es auch sein wird, Israel nicht in gleichem Maße unterstützt.“ Dass das Beispiel Ägyptens im Westjordanland Schule macht, glaubt Masri nicht. „Wir werden keinen Aufstand gegen die Autonomiebehörde sehen; hauptsächlich nicht, weil wir unter der (israelischen) Besatzung leben und die Menschen die Besatzung im Fokus haben.“
Die im Gazastreifen herrschende radikal-islamische Hamas quittierte den Abgang Mubaraks mit Freudenschüssen und Hupkonzerten. Sie wittert Morgenluft. Mubarak folgte 2007 der Linie des Westens und nicht dem Willen seiner Landsleute, als er wie Israel den Gazastreifen abriegeln ließ. Dort hatte die Hamas mit blutiger Gewalt die Macht übernommen. Die neue ägyptische Führung müsse helfen, die Blockade des Gazastreifens zu beenden und die gemeinsame Grenze für immer zu öffnen, sagt Hamas-Sprecher Sami Abu Suhri.