Was macht Mattarella? Italiens Zukunft nach Renzis Referendums-Schlappe ungewiss

Rom (dpa) - Als italienischer Ministerpräsident hatte es Matteo Renzi schon recht weit gebracht: Der Chef der 65. italienischen Nachkriegsregierung feierte kürzlich seine ersten 1000 Tage im Amt, was nur wenige seiner Vorgänger geschafft hatten.

Doch am Montag kurz nach Mitternacht war Schluss.

Nachdem sein Volk die von ihm vorangetriebene Verfassungsänderung mit überdeutlicher Mehrheit hatte durchfallen lassen, kündigte der 41-Jährige seinen Rücktritt an. Als „Il rottamatore“, der große Verschrotter, war Renzi 2014 angetreten und wollte Italien von Grund auf umbauen. Nun räumt der Europa-Freund das Feld und hinterlässt große Unsicherheit.

„Meine Zeit in der Regierung endet hier“, sagte Renzi. Als „Mutter aller Reformen“ hatte er den zur Abstimmung gestellten Umbau des parlamentarischen Systems in einer langen Kampagne gepriesen. Doch er konnte die Italiener nicht überzeugen. Reformministerin Maria Elena Boschi, die ihre ganze Überzeugungsarbeit darauf verwendet hatte, das Projekt durchs Parlament zu bringen, rannen Tränen über die Wangen, wie Journalisten beobachteten. Dagegen triumphierte die Opposition. „Heute hat die Arroganz der Macht verloren“, sagte Luigi di Maio, Vorstandsmitglied der oppositionellen Fünf-Sterne-Bewegung.

Am Montagnachmittag soll Staatspräsident Sergio Mattarella entscheiden, ob er einen neuen Vorsitzenden des Ministerrats ernennt oder Renzi zum Weiterregieren verpflichtet. An seiner Niederlage war Renzi auch selber schuld. Denn er hatte das Referendum über eine Verkleinerung und Entmachtung des Senats sowie die Neuerverteilung der Zuständigkeiten zwischen Staat und Regionen zu einer Abstimmung über sich selbst gemacht. Lange hatte er sein politisches Schicksal mit dem Ausgang des Referendums verknüpft.

Linke Kritiker, darunter auch Verfassungsrechtler, fürchteten eine zu große Machtkonzentration wegen der Reform und malten das Gespenst einer „Tyrannei der Mehrheit“ an die Wand. Nicht wenige Italiener hatten vor dem Wahlsonntag aber auch gesagt, dass sie die Reform eigentlich für vernünftig hielten, aber gegen Renzi stimmen würden.

Dem bisher jüngsten italienischen Regierungschef haftete zum einen der Makel an, nicht über allgemeine Wahlen ins Amt gekommen zu sein. Viele empfanden den Florentiner auch einfach als arrogant. Renzi hatte im Februar 2014 seinen Vorgänger Enrico Letta aus dem Amt gedrängt. Innerhalb der sozialdemokratischen Regierungspartei PD hatte er die alte Garde ehemaliger Kommunisten gegen sich. Nach dem Amtsantritt hatte Renzi eine Reform pro Monat versprochen, doch seine tatsächliche Bilanz blieb eher bescheiden, die Arbeitslosigkeit hoch und das Wirtschaftswachstum schwach.

Die Mailänder Börse eröffnete am Montag mit den erwarteten Kursverlusten. Italien ist ein Sorgenkind im Euroraum. Die Staatsverschuldung erreicht fast 135 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP), die wankenden Banken sitzen auf einem Hochgebirge fauler Kredite. Die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone bräuchte eigentlich eine stabile Regierung, mit Übergangsregierungen hat Italien schon reichlich Erfahrung gemacht.

Alle Augen richten sich jetzt auf Mattarella. Der stille Herr im Quirinalspalast muss entscheiden, wie es weitergeht im Land der Regierungskrisen. Reguläre Parlamentswahlen stehen in Italien erst 2018 an. Sollten diese schon auf kommendes Jahr vorgezogen werden, müsste zunächst das Wahlrecht angepasst werden. Denn das „Italicum“, wie das jüngst erst reformierte Wahlrecht genannt wird, sieht die Existenz eines Senats gar nicht mehr vor.

Nach Renzis Rückschlag fühlt sich die Fünf-Sterne-Bewegung des Komikers Beppe Grillo im Aufwind, die ein Referendum über die Zugehörigkeit Italiens zur Eurozone verlangt. In nationalen Meinungsumfragen rangieren die „Cinque Stelle“ schon länger knapp unter Renzis PD. Ihre bisherige praktische Regierungserfahrung ist eher dürftig, Roms im Juni neu gewählte Bürgermeisterin Virginia Raggi gilt als unerfahren.

Betrachtet man das Referendum als Abstimmung über Renzi, dann haben sich die Bürger vor allem im armen Süden des Landes von ihm abgewandt. Auf Sizilien beispielsweise gab es weniger als 30 Prozent für das „Sì“. Die meiste Zustimmung gab es in Südtirol, aber auch in der heimatlichen Toskana kam Renzi klar über 50 Prozent. Dies könnte ihn vielleicht ermutigen, nicht ganz von der politischen Bühne abzutreten. Es könnte durchaus sein, dass „Il rottamatore“ bei der nächsten Wahl wieder antritt.