Feierliche Eröffnung Jahrhundertwerk Gotthardtunnel ist eröffnet
Erstfeld (dpa) - Mit einem „Bahn frei“ hat der Schweizer Bundespräsident Johann Schneider-Ammann den neuen Gotthardtunnel eröffnet. Auf das Signal hin fuhren zwei Züge mit jeweils 500 Bürgern vom Nord- und Südportal aus in den mit 57 Kilometern längsten Eisenbahntunnel der Welt.
Als „historischen Tag“ würdigte Schneider-Ammann die Eröffnung. An der Fertigstellung des „Jahrhundertwerks“ hätten mehrere Generationen mitgewirkt. „Es ist ein wichtiger Schritt für die Schweiz, für unsere Nachbarn und den Rest des Kontinents“, sagte das Schweizer Staatsoberhaupt. Zu den Feierlichkeiten werden auch Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident François Hollande und Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi erwartet.
Der in 17-jähriger Bauzeit für umgerechnet rund 11 Milliarden Euro (12,2 Mrd. Franken) fertiggestellte Gotthard-Basistunnel ist das Herzstück der „Neuen Eisenbahn-Alpentransversale“ (NEAT). Mit diesem europäischen Großprojekt sollen weite Teile des Güterverkehrs zwischen dem Nordseehafen Rotterdam und Genua am Mittelmeer von der Straße auf die Schiene verlegt werden.
Bahnchef Rüdiger Grube verteidgte die Verzögerungen beim Ausbau der Zubringerstrecken für den neuen Gotthard-Tunnel. Der Ausbau der deutschen Zubringerstrecke Karlsruhe-Basel brauche die Unterstützung der Bürger, sagte Grube angesichts von 170 000 Einwendungen von Anwohnern, Gemeinden und Landkreisen. „Wir wollen die Bevölkerung mitnehmen.“ Es liege daher in der Natur der Abläufe, dass Zeitziele nicht immer eingehalten werden könnten. Es gehe Schritt für Schritt weiter. „Wir freuen uns, dass wir sukzessive Fortschritte machen“, sagte der Bahnchef im Schweizer Fernsehen SRF.
Die Kollegen vom SFR bieten eine erklärende 360 Grad Video-Fahrt durch den Tunnel
Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) sicherte zu, dass Deutschland alles daran setzen werde, den Güterverkehr Richtung Gotthard steigern zu können. In den Ausbau der Rheintalstrecke seien bisher 2 Milliarden Euro investiert worden, weitere 6,5 Milliarden Euro stünden bereit, sagte der CSU-Politiker im SRF. „Wir werden die anderen Varianten der Zuläufe zum Gotthard-Tunnel genauso schnell ertüchtigen.“
Was die Schweizer mit Stolz erfüllt, nehmen Kritiker der deutschen Verkehrspolitik zum Anlass, der Bundesregierung Vorwürfe zu machen: Statt entschlossen auf die Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene hinzuwirken, habe Berlin wichtige internationale Zusagen für das NEAT-Projekt nicht erfüllt, rügt der ökologisch engagierte Verkehrsclub Deutschland (VCD).
Derweil wird der neue Gotthard-Eisenbahntunnel weltweit als herausragende technische und organisatorische Meisterleistung gewürdigt. Seine Gleise verlaufen bei nur geringen Steigungen sowie ohne enge Kurven auf einer Höhe von maximal 550 Metern über dem Meeresspiegel. Experten sprechen von einer „Flachbahn“. Darüber türmt sich bis zum Gipfel des Gotthards bis zu 2300 Meter Fels.
Dank der nur geringen Höhe und des ebenen Streckenverlaufs brauchen Züge weniger Lokomotiven und können so preisgünstiger, vor allem weit schneller als im alten Gotthard-Tunnel fahren - Personenzüge mit bis zu 250 Stundenkilometern, Güterzüge mit bis zu 160 km/h.
Der Zeitgewinn zwischen Zürich und Mailand beträgt - nach Fertigestellung des kleineren, ergänzenden Ceneri-Tunnels ab 2020 - rund 45 Minuten. Statt bislang maximal 180 Güterzüge sollen künftig pro Tag 260 durch die neuen Röhren rollen.
Noch vor den geladenen Prominenten dürfen 1000 per Los ermittelte Einwohner der Schweiz mit Sonderzügen durch den neuen Tunnel zwischen Erstfeld im Kanton Uri und Bodio im Kanton Tessin fahren. Die Geste gilt als Ausdruck des Dankes an die Bevölkerung, die das Jahrhundertbauwerk durch ihre Zustimmung bei einem Volksentscheid sowie mit der Finanzierung als Steuerzahler ermöglicht hat.
Wie sehr die Schweizer zur Verkehrspolitik ihrer Regierung und insbesondere zum Gotthard-Basistunnel stehen, machte eine repräsentative Umfrage kurz vor dessen Eröffnung deutlich: Acht von zehn Schweizern erachten demnach die Milliardenkosten für gerechtfertigt. Als Grund nannten sie erwartete wirtschaftliche Vorteile. Zudem erklärten 80 Prozent der Befragten, dass solche Projekte wichtig seien „für das Bild der Schweiz im Ausland“.