Japanische Notenbank pumpt Milliarden in die Wirtschaft

Tokio/Frankfurt (dpa) - Die Folgen der Erdbeben-und Nuklearkatastrophe sind unabsehbar: Jetzt pumpen die japanischen Geldhüter Milliarden in das heimische Bankensystem.

Um den hohen Bedarf an flüssigen Mitteln zu decken, griff die Notenbank in einer Eilentscheidung am Montag mit der Rekordsumme von 15 Billionen Yen ein: Umgerechnet sind das rund 130 Milliarden Euro. Nach Angaben der japanischen Nachrichtenagentur Kyodo stellten die Währungshüter damit so viel kurzfristige Mittel bereit wie noch nie an einem Tag. Bislang lagen die Beträge zur Notversorgung - etwa im Fall des Euro-Schuldensünders Griechenland - bei ein bis zwei Billionen Yen - ein Bruchteil dessen, was zu Wochenbeginn in die Märkte gepumpt wurde.

Darüber hinaus stockte die Notenbank ihre Wertpapierkäufe um fünf Billionen Yen (rund 44 Milliarden Euro) auf nunmehr 40 Billionen Yen auf. Dieses Kaufprogramm wurde bereits in der Finanzkrise eingerichtet. Die zusätzlichen Käufe sollen sich aber nicht wie bislang auf Staatsanleihen konzentrieren, sondern vor allem auf riskantere Wertpapiere wie Unternehmensanleihen abstellen.

Dass die Notenbank diesen unkonventionellen Weg wählt und nicht die Leitzinsen senkt, liegt an dem bereits sehr niedrigen Zinsniveau in Japan: Wegen der Finanzkrise und der anhaltenden Deflation liegt der Leitzins schon in der Nähe von null Prozent. Auf der Zinsseite hat die Notenbank also faktisch keinen Spielraum mehr, ihre bereits hochexpansive Geldpolitik weiter zu lockern und die Wirtschaft zu stützen.

Experten werteten die Reaktion der Notenbank als absolut notwendig und umsichtig. „Die Bank of Japan handelt in diesem Umfeld sensibel“, kommentierte Folker Hellmeyer, Chef-Stratege von der Bremer Landesbank. DekaBank-Experte Kristian Tödtmann sprach unterdessen von „Schadensbegrenzung“. Hierauf ziele vor allem die Bereitstellung kurzfristiger Liquidität ab. „Die Geldversorgung der Banken dürfte durch die Katastrophe spürbar beeinträchtigt sein.“ Darüber hinaus versuche die Notenbank der Talfahrt an den Aktienmärkten zu begegnen. „Die Notenbank agiert damit als eine Art Feuerwehr.“

Panikverkäufe lösten am Montag einen Kurssturz von mehr als 6 Prozent an der Tokioter Börse aus. Versicherer, Energieversorger und Eisenbahntitel erlitten hohe Kursverluste. Die Autobauer Toyota und Honda, die Produktionsbänder stoppen mussten, fielen drastisch.

Die Aufstockung der Wertpapierkäufe erklärt DekaBank-Experte Tödtmann in erster Linie mit dem fehlenden Spielraum in der Zinspolitik. „Im Gegensatz zur Notenbank Neuseelands, die den Leitzins nach dem jüngsten Erdbeben deutlich gesenkt hatte, hat die Bank of Japan keine Möglichkeit mehr zu Zinssenkungen.“ Um der hohen Unsicherheit an den Märkten zu begegnen, kommen mithin nur sogenannte „quantitative Maßnahmen“ wie Wertpapier-Käufe in Frage.

Die japanische Notenbank reagiert damit im Grunde nach dem gleichen Muster wie in der Finanzkrise: Sie pumpt kurzfristige Liquidität in die Märkte und versucht die Konjunktur mit zusätzlichen Wertpapierkäufen zu stützen. „Allerdings handelt es sich nicht um eine klassische Lockerung der Geldpolitik, da vor allem riskantere Wertpapiere gekauft werden“, schränkt Tödtmann ein. Der Effekt, den die japanische Notenbank an den Märkten erreichen wolle, sei aber vergleichbar mit der Reaktion der US-Notenbank auf die Terroranschläge von 11. September 2001.

Gleichwohl: In absoluten Zahlen ist der Wert der zusätzlichen Wertpapierkäufe der japanischen Notenbank eher gering, insbesondere im Vergleich mit den Käufen der US-Notenbank Fed in der Finanzkrise. „Dies zeigt, dass die Hauptlast der Erdbeben-Katastrophe nicht die Geldpolitik, sondern die Fiskalpolitik tragen muss“, sagt Tödtmann.

So wird in Japan bereits über einen Not-Haushaltsplan diskutiert, um den Schäden des Erdbebens zu begegnen. Höhere Staatsausgaben würden jedoch die ohnehin angespannte Schuldensituation in Japan zusätzlich verschlechtern. Denn mit einer Staatsverschuldung von rund 200 Prozent der Wirtschaftsleistung zählt das Land bereits jetzt zu den höchst verschuldeten Ländern der Welt.