Joe Biden - Katholischer Polit-Haudegen mit manchmal losem Mundwerk
Washington (dpa) - Wenn US-Vizepräsident Joe Biden am Freitag bei Angela Merkel (CDU) im Kanzleramt erscheint, dann wird er sich bestimmt von seiner besten Seite zeigen.
Höflich, diplomatisch und interessiert, wie man es von dem zweitmächtigsten Mann der USA erwartet. Der Stellvertreter und hoch geschätzte Freund von Präsident Barack Obama wird die amerikanischen Interessen vertreten und sich die Meinung der Deutschen anhören. Zwischendurch wird er aber wahrscheinlich auch den ein oder anderen Witz auf den Lippen haben - oder im äußersten Fall kräftig ins Fettnäpfchen treten.
Denn Joseph Robinette Biden Junior ist nicht nur ein gewiefter Politiker mit jahrzehntelanger Erfahrung. Der 70-Jährige ist auch eine Frohnatur mit einem bisweilen losen Mundwerk, das ihn und Obama manchmal in Verlegenheit bringt. Die Liste seiner Fehltritte ist lang. Mal warnt er ein überwiegend schwarzes Publikum bei einem Wahlkampfauftritt, dass die Republikaner „euch alle wieder in Ketten legen“ werden, mal bittet er versehentlich einen Rollstuhlfahrer aufzustehen. Richtig übel nehmen ihm die Amerikaner sowas nicht. Im Gegenteil: Laut der „New York Times“ hat er einen echten Kultstatus.
Wenn es darauf ankommt, kann sich Obama auf seinen Vize aber voll verlassen. Gerade erst zum Jahreswechsel war es wieder Biden, der den oppositionellen Republikanern einen Kompromiss im US-Haushaltsstreit abrang, der die Wirtschaft vor einem drohenden Absturz bewahrte. Und als der Präsident nach dem Massaker an 20 Schulkindern in Newtown (Connecticut) im Dezember schnell schärfere Waffengesetze auf den Weg bringen wollte, betraute er erneut Biden, mit Opfergruppen und Waffenlobbyisten zu verhandeln.
Der leidenschaftliche Bahnfahrer unterstützt Obama vor allem mit seiner Erfahrung. Müsste Biden im Fall der Fälle die Rolle als Staatschef und Oberbefehlshaber der Streitkräfte übernehmen, wäre er nach 36 Jahren im US-Senat gut darauf vorbereitet. Der Demokrat mit dem weißen Haarschopf und den blendend weißen Zähnen verfügt vor allem über einen Schatz an Kenntnissen in der Außen- und Sicherheitspolitik, zudem bereiste er Dutzende Länder in offizieller Funktion.
So hat sich der Jurist auch als Vize vor allem als außen- und sicherheitspolitischer Ratgeber Obamas verdient gemacht. Der Präsident hält es etwa ihm zugute, dass er den neuen START-Vertrag mit Russland zur Verringerung von strategischen Atomwaffen im Senat durchbringen konnte. In Wirtschaftsfragen ist Biden ebenfalls nicht unbeleckt: Er hatte nach der Finanzkrise maßgeblichen Anteil am Schnüren eines umfassenden Konjunkturprogrammes.
Biden stammt aus einer katholischen Arbeiterfamilie. 1973 zog er erstmals in den Senat ein - als fünftjüngstes Mitglied dieser Kammer in der US-Geschichte. Eigene Präsidentschaftsambitionen scheiterten später aber gleich zweimal. Manche meinen, er könnte 2016 noch einmal antreten, Präsident würde er dann mit 74 werden.
Privat erlitt Biden schwere Schicksalsschläge. Seine erste Frau und die einjährige Tochter starben 1972 bei einem Autounfall. Seine zwei kleinen Söhne wurden schwer verletzt. Er zog sie zunächst alleine auf. 1977 heiratete er dann die Pädagogin Jill Jacobs. 1988 überstand Biden eine lebensgefährliche Gefäßerweiterung im Gehirn.