Juncker warnt eindringlich vor griechischem Euro-Aus
Athen/Brüssel (dpa) - EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat vor verheerenden Folgen eines griechischen Austritts aus der Euro-Währungsunion gewarnt. Dies wisse auch der griechische Regierungschef Alexis Tsipras, sagte Juncker in Schengen (Luxemburg) der dpa.
„Er weiß, dass die Lage sich zuspitzt. Ich habe ihm das in allen Farben und in mehreren Sprachen nahegebracht.“ Noch am Wochenende waren wichtige Gespräche mit griechischen Regierungsvertretern über neue Reformvorschläge in Brüssel geplant.
Für Griechenland wird die Zeit knapp, will es mit EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) noch bis zum 30. Juni eine Einigung über die Auszahlung von Hilfsgeldern in Höhe von 7,2 Milliarden Euro erzielen. Voraussetzung ist ein verbindliches Reformprogramm Athens.
Bis Ende des Monats muss Griechenland 1,6 Milliarden Euro an den IWF zurückzahlen. Griechenland droht die Staatspleite - mit schwer kalkulierbaren Konsequenzen für den Euro, die Aktienmärkte, die Europäische Union.
Athen wird seit mehr als fünf Jahren nur mit internationalen Hilfskrediten vor der Pleite bewahrt. Im Gegenzug zu den Hilfen musste sich das Land zu drastischen Reformen und Sparmaßnahmen verpflichten.
Umstritten sind insbesondere Reformen bei den Renten oder der Mehrwertsteuer. Bewegung gibt es hingegen dem Vernehmen nach bei der Zielmarke für den sogenannten Primärüberschuss im Staatsbudget. Damit ist gemeint, wie der Haushalt abschneidet, wenn die Zinsen und Tilgungen des hochverschuldeten Landes ausgeblendet werden.
Ursprünglich waren einmal rund 3 Prozent der Wirtschaftsleistung angepeilt worden. Davon musste man sich aber wegen des Rückfalls der griechischen Wirtschaft in die Rezession verabschieden. Die Geldgeber fordern für das laufende Jahr 1 Prozent; Tsipras soll sich damit inzwischen abgefunden haben. Je höher der Überschuss ausfallen muss, umso höher wäre der Zwang für Tsipras, Einnahmen zu erhöhen oder Ausgaben zu drücken.
Wichtige Gespräche mit griechischen Regierungsvertretern über neue Reformvorschläge sind laut Juncker auf „einer höheren technischen Ebene“ an diesem Sonntag geplant. Am Samstag seien lediglich Gespräche auf einer „kleinen technischen Ebene“ vorgesehen gewesen. In der kommenden Woche - am 18. Juni treffen sich die Finanzminister der Eurogruppe - würden dann „die politischen Schlussfolgerungen“ gezogen.
„Ich wehre mich seit Monaten gegen den vermeintlich einfachen Weg, den man als Grexit bezeichnet“, sagte der Kommissionspräsident. „Träte Griechenland aus der Währungsunion aus, wäre die Europäische Union nie mehr dieselbe. Denn es wäre dann der Beweis dafür angetreten worden, dass doch einige Integrationsfortschritte in der EU eben nicht irreversibel sind.“
Zu der von ihm als „widerwärtig“ bezeichneten Debatte um den Euro sagte Juncker: „Ohne den Euro hätte es angesichts des Irak-Krieges, angesichts der Finanz- und Wirtschaftskrise der vergangenen Jahre ein heilloses Durcheinander in Europa gegeben.“
Ein Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone gefährdet nach Ansicht von Außenminister Frank-Walter Steinmeier das Ansehen Europas in der Welt. „Wir müssen alles Verantwortbare unternehmen, um Griechenland in der Eurozone zu behalten“, sagte Steinmeier.
Der griechische Finanzminister Gianis Varoufakis rechnet nicht damit, dass die europäischen Regierungen sein Land aus der Euro-Zone drängen werden. „Ich glaube nicht, dass irgendein europäischer Politiker oder Bürokrat diesen Weg gehen wird“, sagte Varoufakis der britischen BBC. Große Hoffnung setzt er dabei auf Bundeskanzlerin Angela Merkel. Auf die Frage, ob die Euro-Partner und der IWF nur blufften, antwortete Varoufakis: „Ich hoffe es.“
Zuletzt hatten die Euro-Finanzstaatssekretäre in der slowakischen Hauptstadt Bratislava auch Notfallpläne für den Fall eines Scheiterns erörtert. Bisher hatten die Euro-Finanzminister nicht über Alternativszenarien zu einer Rettung Griechenlands diskutiert.
Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ berichtete, Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) lasse seine Fachleute eine Insolvenzordnung für Staaten innerhalb der Eurozone prüfen. Ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums wies dies zurück. „Wir richten unsere Anstrengungen ganz auf die Lösung der gegenwärtigen Griechenland-Krise im Rahmen des laufenden Programms“, sagte er.