Keine Distanzierung von Armenien-Resolution des Bundestags
Berlin (dpa) - Bundeskanzlerin Angela Merkel will mit der Türkei nach dem Ärger der vergangenen Wochen wieder vernünftig ins Gespräch kommen. Die CDU-Vorsitzende widersprach entschieden einem „Spiegel“-Bericht.
Das Magazin hatte geschrieben, dass die Bundesregierung aus Rücksicht auf Ankara zur Armenien-Resolution des Bundestags auf Distanz gehen wolle. „Das will ich ausdrücklich dementieren“, sagte Merkel dem Fernsehsender RTL. Zugleich stellte sie klar, dass sie sich juristisch an die Entschließung des Parlaments nicht gebunden fühlt.
Die Kanzlerin wird den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan beim G20-Gipfel erstmals wiedersehen, der an diesem Wochenende in China beginnt. In der Resolution hatte der Bundestag die Massaker an bis zu 1,5 Millionen Armeniern 1915/16 im Osmanischen Reich als „Völkermord“ bezeichnet. Deshalb ist das Verhältnis zur Türkei seit Anfang Juni schwer belastet.
Zudem ist Ankara verstimmt, weil sich seit dem gescheiterten Putsch Mitte Juli kein hochrangiges deutsches Regierungsmitglied blicken ließ.
Merkel dementierte allerdings einen „Spiegel“-Bericht, wonach sich Merkel von der Resolution absetzen wolle, um das Verhältnis zu Erdogan wieder aufzupolieren. Die Bundesregierung distanziere sich „überhaupt nicht“ davon, sagte die Kanzlerin. Zugleich verwies sie aber auch darauf, dass die Resolution für ihre Regierung „nicht rechtlich bindend“ sei.
Ähnlich hatte sich zuvor schon Außenminister Frank-Walter Steinmeier geäußert. „Der Deutsche Bundestag hat jedes Recht und die Freiheit, sich zu politischen Fragen zu äußern“, sagte der SPD-Politiker. Das Parlament sage aber auch selbst, dass „nicht jede Resolution eine rechtliche Bindungswirkung“ habe. Merkel und Steinmeier hatten sich an der Abstimmung im Bundestag Anfang Juni selbst nicht beteiligt. Beide erklärten sich aber damit einverstanden.
Aus Protest gegen die Resolution hatte die Türkei aus Berlin ihren Botschafter abgezogen. Zudem verweigert sie seither deutschen Abgeordneten den Besuch bei Bundeswehr-Soldaten, die im türkischen Incirlik stationiert sind. Nach Angaben des Auswärtigen Amts gibt es aus Ankara nun aber zumindest die Ankündigung, bald wieder einen Botschafter zu entsenden.
Der „Spiegel“-Bericht hatte in Berlin für erhebliche Unruhe gesorgt. Das Magazin meldete, dass sich Kanzleramt und Auswärtiges Amt mit Rücksicht auf Ankara auf eine Distanzierung von der Resolution verständigt hätten. Aus den Reihen der Koalition wurde dem Bericht sofort widersprochen. CDU-Generalsekretär Peter Tauber meinte: „Die Resolution war und ist richtig.“ SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann fügte hinzu: „Sie gilt ohne Wenn und Aber.“
Trotz viel Kritik an den Zuständen in der Türkei gehört das Nato-Land zu Deutschlands wichtigsten Partnern. Berlin hat besonders wegen des türkisch-europäischen Abkommens zur Lösung der Flüchtlingskrise großes Interesse an einer Zusammenarbeit. Die Türkei wiederum hofft auf eine baldige Visa-Befreiung für ihre Bürger. Seit der Niederschlagung des Militärputsches im Juli sieht sie sich jedoch neuen Vorwürfen wegen undemokratischen Zuständen ausgesetzt.
Die Bundeswehr hat im Süden der Türkei mehr als 200 Soldaten sowie sechs „Tornado“-Aufklärungsjets und ein Tankflugzeug stationiert. Sie sollen den Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) unterstützen. Zuletzt hatte die Bundesregierung betont, sie wolle sich im Streit mit der Türkei über das Besuchsverbot nicht unter Druck setzen lassen. Aus Ankara gab es am Freitag zu der neuen Debatte zunächst keine Reaktion.
Die Linke hielt Merkel vor, mit einer „De-Facto-Distanzierung“ einen Kotau vor Erdogan zu machen. Ihr Ex-Fraktionschef Gregor Gysi sprach von einem „ungeheuerlichen Skandal“. Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir verwies darauf, dass die Armenien-Resolution nur durch den Bundestag selbst außer Kraft gesetzt werden könne. Seine Co-Vorsitzende Simone Peter hielt der Bundesregierung vor, das Parlament brüskiert zu haben.
Im offiziellen Lexikon des Bundestags zu wichtigen parlamentarischen Begriffen heißt es: „In Entschließungen wird die Auffassung des Bundestages zu politischen Fragen zum Ausdruck gebracht und/oder die Bundesregierung zu einem bestimmten Verhalten aufgefordert. Entschließungen sind rechtlich nicht verbindlich, sondern von politischer Bedeutung.“