Krisenmechanismus für Euro-Stabilität beschlossen
Brüssel/Frankfurt/Main (dpa) - Die europäische Währungsunion wappnet sich gegen den Bankrott ihrer Mitglieder. Um den Euro vor weiteren gezielten Attacken der Finanzmärkte zu schützen, beschloss der EU-Gipfel einen dauerhaften Auffangschirm für Pleite-bedrohte Staaten wie Griechenland.
Die Staats- und Regierungschefs einigten sich am Donnerstag in Brüssel auf eine Änderung des Lissabonner Vertrages, um diesen sogenannten Krisenmechanismus rechtlich zu verankern.
Unmittelbar vor Gipfelbeginn demonstrierte die Europäische Zentralbank (EZB) den Ernst der Lage: Die Notenbank muss ihr Kapital fast verdoppeln, um sich gegen einen möglichen Totalausfall von aufgekauften Staatsanleihen angeschlagener Staaten abzusichern.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht ihre Forderungen erfüllt. „Wir sind sehr zufrieden“, hieß es aus der deutschen Delegation. Der Krisenmechanismus werde nur als letztes Rettungsmittel eingesetzt, wenn die Eurozone als Ganze bedroht sei. Außerdem werde es Hilfen nur unter strengen Bedingungen geben, hieß es weiter aus ihrer Umgebung.
Der ständige Krisenmechanismus soll Mitte 2013 an die Stelle des momentanen 750-Milliarden-Euro schweren Rettungsschirms treten. Als Rechtsgrundlage dafür dient eine Änderung des EU-Vertrags - die Bundesregierung fürchtete, ohne diese Klarstellung könne das Bundesverfassungsgericht im Fall einer Klage deutsche Hilfszahlungen für illegal erklären.
Mit einer besonderen Erklärung zur Stabilität des gemeinsamen Währungsgebietes wollten die EU-Chefs die nervösen Finanzmärkte beruhigen, hieß es aus den Delegationen.
Auf Drängen Deutschlands fasste der EU-Gipfel die Formulierung über die mögliche Aktivierung des Krisenmechanismus schärfer als zunächst vorgesehen.
Wegen unabsehbarer Risiken aus der gewaltigen Staatsverschuldung in der Eurozone muss die EZB - als Hüterin der gemeinsamen Währung - ihr Grundkapital zum 29. Dezember auf 10,8 Milliarden Euro nahezu verdoppeln.
Bisher ist es vor allem die von den Regierungen unabhängige Zentralbank, die zur Stabilisierung der Gemeinschaftswährung beiträgt. Denn jede Woche kauft die EZB Staatsanleihen von Euro-Staaten mit hoher Verschuldung in Milliardenhöhe auf. Jetzt muss die Notenbank ihre Eigenkapitalbasis stärken, um ihr Ankaufprogramm besser mit Kapital zu unterlegen. Bei einigen Papieren drohen massive Wertverluste. Die Lage ist mehr als ernst: Nachdem Irland als erstes Land unter den Rettungsschirm geschlüpft ist, könnte auch das hochverschuldete Portugal im neuen Jahr dazu gezwungen sein, berichteten Diplomaten in Brüssel.
Zugleich drohte die Ratingagentur Moody's Griechenland eine erneute Herabstufung der Kreditwürdigkeit an. Griechische Anleihen haben schon jetzt Ramschstatus.
Seit Wochen steht die Gemeinschaftswährung wegen der gefährlich hohen Staatsschulden in Griechenland und Irland unter Druck. Der Euro verlor am Donnerstag an Wert und pendelte gegenüber dem US-Dollar um 1,32 Euro.
Einigkeit besteht auch darüber, dass private Gläubiger - anders als von Deutschland ursprünglich gewünscht - nicht grundsätzlich, sondern nur von Fall zu Fall die finanziellen Lasten mittragen sollen.
Im Erklärungsentwurf zur Stabilität der Eurozone werden keine konkreten Zahlen genannt. Derzeit räumen die Eurostaaten für den Krisenfonds EFSF Garantien von bis zu 440 Milliarden Euro ein. „Wir sind bereit, alles Notwendige zu tun, um die Stabilität des Eurogebiets zu gewährleisten“, schrieben die Staats- und Regierungschefs laut dem Dokument.
Über eine Aufstockung des derzeitigen, mit 750 Milliarden Euro ausgestatteten Rettungsschirm wurde am Rande debattiert. Deutschland ist dagegen.
Vor dem Gipfel bemühten sich die Staats- und Regierungschefs, die jüngsten Streitigkeiten auszuräumen. Dabei ging es vor allem um Euro-Anleihen, die von Deutschland und Frankreich strikt abgelehnt werden. Luxemburgs Premierminister Jean-Claude Juncker macht sich weiter dafür stark.
Reiche Mitglieder wie Großbritannien, Frankreich, Deutschland und Italien wollen die Ausgaben der EU nach 2013 deckeln. Die Ausgaben sollen künftig nicht mehr stärker wachsen als die Inflation. Die Hauptgeberländer diskutierten nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa einen entsprechenden Brief an die EU-Institutionen.
Der nächste Finanzrahmen der EU gilt von 2014 bis 2020. Derzeit - von 2007 bis 2013 - sind gut 860 Milliarden Euro eingeplant. Es wird von 2011 an mit harten Verhandlungen gerechnet. Deutschland ist mit Abstand der größte Zahlmeister der Union.