Kroatien statt Ungarn: Flüchtlinge suchen neue Route
Zagreb/Röszke (dpa) - Nach der Abriegelung der ungarischen Grenze zu Serbien müssen Tausende Migranten auf der Balkanroute neue Fluchtwege in den Westen finden. Hunderte Flüchtlinge trafen am Mittwoch in Kroatien ein.
Zuvor hatten sie sich von der ungarischen Grenze abgewandt oder sich schon von Südserbien aus dorthin auf den Weg gemacht. 500 Menschen seien über die serbisch-kroatische Grenze bei Tovarnik gekommen, berichtete der kroatische Fernsehensender RTL am Mittwochmittag.
Ungarn hatte am Vortag seine Grenze für Flüchtlinge abgeriegelt. Neue Gesetze, die am selben Tag in Kraft traten, machen überdies ordentliche Asylverfahren in Ungarn praktisch unmöglich. Ein Strafgericht in Ungarn verurteilte erstmals einen „Grenzverletzer“ zu einem einjährigen Landesverweis.
Kroatien will die Flüchtlinge passieren lassen. Der kroatische Ministerpräsident Zoran Milanovic erklärte am Mittwoch im Parlament von Zagreb: „Sie können durchreisen, und wir bereiten uns auf diese Möglichkeit vor. (...) Diese Leute sind da, es sind Frauen, Kinder und Männer, die leben und etwas erreichen wollen.“ Es seien jedoch Menschen, die nicht in Kroatien leben wollten.
Der kroatische Innenminister Ranko Ostojic sprach sogar von einem Korridor, den Kroatien und das benachbarte Slowenien einrichten könnten, um den Durchzug der Flüchtlinge nach Österreich zu ermöglichen. „Ich habe mit der slowenischen Innenministerin (Vesna Györkös Znidar) gesprochen, und wenn es notwendig ist, werden wir einen Korridor organisieren“, schrieb der Politiker auf dem Twitter-Account seiner Regierung.
Nach Ungarn kommen seit der Schließung der Grenze viel weniger Flüchtlinge. Am Dienstag zählte die Polizei 366 aufgegriffene Menschen, wie sie am Mittwoch auf ihrer Homepage mitteilte. Kurz vor Torschluss am Montag waren es noch 9380 gewesen. Asylbewerber können Ungarn nur noch über sogenannte „Transitzonen“ - Auffanglager unmittelbar an der Grenze zu Serbien - erreichen. Ihre Aussichten, Asyl zu erhalten, sind minimal, da Ungarn Serbien zum „sicheren Drittland“ erklärt hat.
Nahe der „Transitzone“ beim ungarischen Grenzort Röszke kam es am Mittwochnachmittag zu Tumulten. Mehrere Dutzend Flüchtlinge durchbrachen die Sperre am geschlossenen Grenzübergang an der alten Landstraße. Sie bewarfen die Polizisten mit Steinen und Flaschen, berichteten ungarische Medien. Die Sicherheitskräfte setzten Tränengas gegen die aufgebrachte Menge ein.
Die neuen ungarischen Gesetze stufen die Überwindung und Beschädigung des Grenzzauns als Straftat ein. In der südungarischen Grenzstadt Szeged wurden deshalb 35 Strafverfahren eingeleitet. Im ersten Fall dieser Art wurde am Mittwoch das Urteil gefällt. Ein Iraker wurde nach 80-minütiger Verhandlung für ein Jahr des Landes verwiesen. Das Urteil ist rechtskräftig, weil der Mann auf Berufung verzichtete.
Für die Grenzzaun-Vergehen können Haftstrafen von bis zu fünf Jahren verhängt werden. Die Strafen sind jedoch nicht in Ungarn abzubüßen. Die Verurteilten werden in diesem Fall aus dem Land abgeschoben.