Lokführer-Doppelstreik im Güter- und Personenverkehr
Frankfurt/Berlin (dpa) - Millionen Reisende in Deutschland müssen sich an diesem Donnerstag auf Chaos im Bahnverkehr einstellen. Mit einem massiven Doppelstreik bei Güter- und Personenzügen will die Lokführergewerkschaft GDL den Druck im festgefahrenen Tarifkonflikt erhöhen.
Im frühmorgendlichen Berufsverkehr sollen von 4.00 Uhr bis 10.00 Uhr etliche Pendlerzüge stillstehen, wie die GDL am Mittwoch in Frankfurt ankündigte. Auch die zuletzt verschonte S-Bahn Berlin wird wieder einbezogen. Bereits am Mittwochabend lief ein bundesweiter Streik im Güterverkehr an, der ebenfalls um 10.00 Uhr enden soll. Die Deutsche Bahn (DB) kritisierte die Aktionen scharf. Trotz des Streiks will sie die Versorgung von Kraftwerken und Hochöfen sichern.
Der GDL-Vorsitzende Claus Weselsky sprach von einem „deutlichen Signal an die Arbeitgeber, endlich ein verhandlungsfähiges Angebot vorzulegen“. Seit Auszählung der Urabstimmung am Montag, in der mehr als 90 Prozent für unbefristete Streiks votiert hatten, habe sich bei der DB und ihren sechs großen Konkurrenten im Regionalverkehr nichts bewegt. „Das zwingt uns zu erweiterten Arbeitskampfmaßnahmen.“ Wo genau Pendler und Fernreisende mit Verspätungen und Zugausfällen rechnen müssen, ließ die GDL auf Nachfrage offen. Die Auswirkungen des auf sechs Stunden angelegten bundesweiten Ausstands dürften aber deutlich stärker sein als bei den drei bisherigen Warnstreikwellen. Diese waren zwei bis drei Stunden lang, es dauerte aber teils bis in den Abend, bis sich der durcheinandergeratene Betrieb normalisierte.
Ein Schwerpunkt des Streiks im Güterverkehr der Deutschen Bahn soll nach Angaben eines Gewerkschaftssprechers in Ostdeutschland liegen, vor allem im Raum Halle/Saale. Auch in Güterverkehrszentren rund um Berlin sollte es Aktionen geben. Die Mitglieder seien zu Arbeitsniederlegungen aufgerufen, so dass Züge die Depots nicht verlassen, sagte der stellvertretende GDL-Bezirksvorsitzende für Berlin-Sachsen-Brandenburg, Klaus-Peter Schölzke, der dpa. Er fügte hinzu: „Wir werden keine Züge auf freier Strecke stehen lassen.“ Sie sollten möglichst in Knotenbahnhöfe gefahren werden.
Die GDL will einheitliche Tarifstandards für rund 26 000 Lokführer im Nah-, Fern- und Güterverkehr durchsetzen - egal, bei welchem Betreiber sie arbeiten. Eine Kernforderung sind einheitliche Einkommen auf dem Niveau des Marktführers DB sowie fünf Prozent Aufschlag auch bei den Konkurrenten Abellio, Arriva, Benex, Keolis, Veolia und Hessische Landesbahn.
Die Deutsche Bahn verurteilte die Ausweitung des Arbeitskampfes. „Es ist und bleibt ein widersinniger Streik“, sagte Personalvorstand Ulrich Weber. Von einer angekündigten Schonung der Pendler könne keine Rede sein. „Dieser Streik ist das untauglichste aller Mittel.“ Die Gewerkschaft wolle Forderungen bei den Bahn-Konkurrenten im Personenverkehr durchsetzen und bestreike den Güterverkehr der DB. „Ich glaube, das versteht niemand mehr.“
Um die drastischen Auswirkungen auf die Fahrgäste zu mildern, will der Konzern mehrere Hundert zusätzliche Mitarbeiter unter anderem auf Bahnhöfen einsetzen. Berufspendler und Schüler müssten sich aber darauf gefasst machen, morgens nicht wie gewohnt fahren zu können. Im Güterverkehr sei mit Verspätungen und Ausfällen zu rechnen. „Einen Stillstand wird es jedoch nicht geben“, betonte die Bahn. Die Belieferung zentraler Industrien werde gewährleistet.
Zahlreiche Firmen bereiteten sich bereits auf mehr Transporte per Lastwagen vor. Nach Angaben des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik können die meisten Unternehmen einen einwöchigen Streik relativ unbeschadet überbrücken. Bereits 2007 hatte die GDL im Kampf um einen eigenen Tarifvertrag bei der DB auch Frachttransporte bestreikt. Bei einem 42-Stunden-Ausstand im November war damals der Güterverkehr in Ostdeutschland fast komplett zum Erliegen gekommen, in Westdeutschland fuhr nur noch jeder dritte Güterzug. Zu größeren Produktionsausfällen in der Industrie kam es aber nicht.