Lokführerstreik: Die meisten Züge stehen
Berlin (dpa) - Zum Beginn oder Ende der Herbstferien in insgesamt neun Bundesländern haben die Lokführer mit ihrem Streik die Bahnkunden besonders empfindlich getroffen. Etwa zwei Drittel der Fernzüge standen seit dem frühen Morgen still.
Auch Regionalbahnen fuhren nur nach einem Ersatzfahrplan. Die Lokführergewerkschaft GDL will den Streik trotz wiederholt geäußerter Verhandlungsbereitschaft der Deutschen Bahn bis zum Montagmorgen durchziehen.
Bei den Bahnreisenden war der Frust am Samstag groß - zumal die Lokführer den Zugverkehr erst vor drei Tagen lahmgelegt hatten. „Wir sind ganz große Opfer“, sagte die Biologin Carina Arps-Forker am Hauptbahnhof Hannover. Als Organisatorin eines Symposiums mit Stammzellenforschern aus aller Welt habe sie wegen des Streiks am Mittwoch bereits Probleme gehabt, die Teilnehmer nach Hannover zu bekommen. „Für uns war das der Supergau.“
„Die Aktion ist total überzogen, gerade an so einem Wochenende“, meinte Bernd Klein am Fernbus-Bahnhof in Hannover. Statt per Bahn ging es für seine Frau per Bus nach Leipzig - dabei war das Paar bereits am Mittwoch vom Streik betroffen, als es gemeinsam Richtung Pfalz gegangen war. Klein nahm für die Fahrt einen Mietwagen. „Für uns ist das eine komplette Umstellung aller Pläne“, schimpfte Klein auf GDL-Chef Claus Weselsky. „Der macht hier persönlich Amok.“
Weselsky sagte am Nachmittag in Dresden, es sei unvermeidbar, Reisende zu beeinträchtigen. Auf den Vorwurf, Streiks in der Ferienzeit auszurufen, entgegnete er: „Es ist immer Hauptreisezeit, an sieben Tagen in der Woche.“
Ein neues Tarifangebot der Bahn hatte die GDL am Freitag abgelehnt. Dieses sah für die Lokführer eine dreistufige Einkommenserhöhung um insgesamt 5 Prozent bei einer Vertragslaufzeit von 30 Monaten vor. Von dem Konzern erwartete die Gewerkschaft „verhandelbare Angebote“. Am Ende entscheide die Bahn, „ob wir in den Verhandlungsmodus kommen oder in den nächsten Arbeitskampf“, sagte Weselsky.
Bedingung der GDL für Tarifgespräche mit der Bahn ist es, neben den Lokführern auch für das übrige Zugpersonal wie Zugbegleiter oder Bordgastronomen zu verhandeln. Für diese Berufsgruppen führt jedoch die größere Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) die Gespräche.
Ein Bahnsprecher verwies am Samstag darauf, dass eine Lösung nur am Verhandlungstisch möglich sei. Die GDL vertrete die Lokführer, solle aber über Belange des übrigen Zugpersonals mitreden können. Deren Interessen vertrete federführend jedoch klar die EVG.
Die GDL habe das mittlerweile fünfte Angebot der Bahn abgelehnt, „ohne mit uns auch nur eine Minute darüber zu sprechen“. Das zeige, dass es der Lokführergewerkschaft „nur auf Macht und Einfluss“ ankomme.
EVG-Chef Alexander Kirchner forderte die Führungskräfte der Bahn auf, während des Streiks mehr Präsenz an den Bahnhöfen zu zeigen: „Es kann nicht sein, dass sich einige Vorgesetzte ein ruhiges Wochenende gönnen, und die Mitarbeiter - insbesondere an den Servicepoints - werden mit dem Frust und Ärger der Fahrgäste alleingelassen.“
Die Wirtschaft warnte angesichts der Streiks auch im Güterverkehr vor hohen Schäden. „Wenn die Kunden wegbleiben und die Ware nicht ankommt, weil die Bahn nicht fährt, ist das eine absolute Katastrophe für unsere Unternehmen und Beschäftigten“, sagte der Präsident des Handelsverbands Deutschland, Josef Sanktjohanser, der „Bild“-Zeitung.
Von den Zugausfällen profitierten hingegen vor allem Fernbus-Anbieter. Einige Unternehmen setzten wegen des erwarteten Ansturms Zusatzbusse ein. Der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer sprach vom bisher „besten Fernbus-Wochenende“ seit der Öffnung des Marktes Anfang 2013. Dem Mietwagen-Verleiher Sixt verhalf der Lokführerstreik zu einem neuen Werbespruch: „HDGDL, GDL.“ - kurz für: „Hab' dich ganz doll lieb, GDL.“