Märchen der „Sommermädchen“ endet ohne Happy-End
Berlin (dpa) - Die schwarz-rot-goldene WM-Party ist vorbei. Das kleine Sommermärchen der deutschen Fußballerinnen endete am Samstagabend in Wolfsburg jäh und ohne Happy-End, als die Japanerinnen in der Verlängerung des WM-Viertelfinalspiels den 1:0-Siegtreffer schossen.
Die Chefin des WM-Organisationskomitees, Steffi Jones, war fassungslos und sprach den tausenden enttäuschten Fans auf der Frankfurter Fanmeile aus der Seele: „Ich bin wahnsinnig traurig. Das ist eigentlich kaum in Worte zu fassen“, sagte die ehemalige Nationalspielerin im weißen DFB-Trikot ihrer Kolleginnen.
Zuvor hatte sie mit versteinertem Blick und immer wieder kopfschüttelnd auf die Großbildleinwand geschaut. Durch die Fanmassen ging ein ums andere Mal ein tiefer Seufzer, wenn die Mannschaft von Silvia Neid wieder mal eine ihrer vielen Chancen vergab.
Dabei hatte alles so wunderbar begonnen: 17 000 Fans waren in die „Fußballgärten“ am Mainufer gekommen - nochmal 2000 mehr als beim bisherigen Höhepunkt, dem 4:2-Sieg über Frankreich. Auf der größten deutschen Fanmeile herrschte ausgelassene Stimmung: Hüte, Röcke, Irokesen-Perücken und Fahnen in schwarz-rot-gold, Deutschlandfarben auf Wangen und Bäuchen - alles war auf eine Fußballparty eingestellt. Jones nahm vor dem Spiel ein euphorisches Bad in der Menge: „Das ist einfach eine unglaubliche Atmosphäre hier in Frankfurt“, sagte sie und schrieb fleißig Autogramme. Sie sei schlicht „überwältigt“.
Am Ende dann Katerstimmung: Das als Siegesfeier geplante „Ballzauber“-Spektakel mit emotionaler Musik und Feuerwerk nach dem Spiel wirkte deplatziert, Jones stand mit Tränen in den Augen davor, doch schaute auch schon wieder nach vorn: „Morgen geht es weiter und dann werde ich als OK-Präsidentin weiter eine gute Gastgeberin sein.“
In Wolfsburg ging es ähnlich bedröppelt zu. Das späte Tor der Japanerinnen in der 108. Spielminute fegte die Partystimmung der 5000 Fans komplett von der Fanmeile. Auch die meisten der 26 067 Zuschauer in der nur einen Kilometer entfernten WM-Arena schlichen nach dem Spiel eher wortlos aus dem Stadion. Die hatten zuvor lautstark ihre Elf angefeuert, mit den deutschen „Sommermädchen“ gefiebert, gezittert und bis zum Schluss auf den Sieg gehofft.
Auch die professionellen Beobachter äußerten sich enttäuscht über das frühe Scheitern der Titelverteidigerinnen. „Aus der Traum - Deutsche draußen“, titelte der „Tagesspiegel am Sonntag“. Die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ analysierte „Die Nerven versagen - bitteres Aus im Viertelfinale“. Nationaltorhüterin Nadine Angerer meldete sich am Sonntagmorgen per Twitter: „Danke danke danke an alle Fans!!! Ihr wart großartig... Ich bin leer!!“
Tatsächlich dürfte Deutschland aber kaum kollektiv in WM-Depressionen verfallen. Zwar wurde mit dem vierten Deutschland-Spiel bei dieser Heim-WM einmal mehr der Quotenrekord nach oben geschraubt - fast 17 Millionen Fernsehzuschauer verfolgten das Spiel im ZDF. Aber jenseits der heimischen Sofas und der WM-Spielorte herrschte auffällig wenig WM-Euphorie. Kaum ein Deutschlandtrikot war am sonnig-warmen Viertelfinal-Samstag beispielsweise in Berlin, Hamburg oder München zu sehen. Die Kneipen und Biergärten, die Public Viewing anboten, waren zwar gut besucht, aber kaum überfüllt. Deutschlandfahnen flatterten nur vereinzelt an Autos und Häuserfassaden.
Frauenfußball ist - trotz aller bisherigen Erfolge und Sympathiewerte der deutschen Spielerinnen - immer noch eher eine Randsportart. Daran ändert auch eine Heim-WM nichts. Ob diese einen nachhaltigen Effekt haben wird, darüber streiten die Experten noch. Vielleicht behält die „BamS“ ja recht, die schreibt: „Tränen, Trauer, Aus! Aber für uns bleibt ihr trotzdem Heldinnen.“