Medienforscher: Humor bringt Wahlkämpfern Punkte
Marburg (dpa) - Satireshows und Comedy im Fernsehen sind beliebt. Ausgeteilt wird gerne in Richtung Politik. Doch auch Politiker trauen sich mittlerweile häufiger, öffentlich witzig zu sein, wie ein Marburger Medienwissenschaftler sagt.
Prof. Andreas Dörner verrät im dpa-Interview, wem das im Bundestagswahlkampf nutzen und wem es schaden könnte.
Frage: Sie und Ihr Team untersuchen derzeit, wie Politiker versuchen, witzig zu sein. Können Sie da Merkel, Steinbrück und Co. überhaupt noch ernst nehmen?
Antwort: Politiker betreiben ein schwieriges Geschäft. Sie ernst zu nehmen, ist eine Grundvoraussetzung bei unserem Forschungsprojekt.
Frage: Das Wahlvolk lacht jedenfalls gern über die Amtsträger. Versuchen die politischen Akteure, das für sich zu nutzen?
Antwort: Uns ist aufgefallen, dass in den vergangenen Jahren die Versuche seitens der Politiker zugenommen haben, mit humorvoller politischer Kommunikation beim Wähler zu punkten. Bestimmte Trends aus den USA beginnen auch in Deutschland zu greifen. „The Daily Show“ mit Jon Stewart ist für uns ein wichtiger Orientierungspunkt, ein Format, das schon seit vielen Jahren auf Comedy Central läuft. Dort ist sogar US-Präsident Barack Obama schon zweimal aufgetreten. Das Neue ist, dass Satire nicht nur über Politik gemacht wird, sondern dass Politiker auch beteiligt sind.
Frage: Was versprechen sich diese davon?
Antwort: Zwei Dinge: Zum einen eine Selbstdarstellung, die locker, entspannt und positiv beim Publikum ankommt. Zum anderen sollen so unpolitische Menschen angesprochen werden. Mit der klassischen politischen Rede erreicht man nur noch einen geringen Teil der Wählerschaft. Man hat gemerkt, dass man an das junge Publikum nur noch ran kommt, wenn man auch unterhaltsam, selbstironisch und mit Spaß kommuniziert.
Frage: Sollte SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück einen Komiker als Berater engagieren, um einen Regierungswechsel herbeizuführen?
Antwort: Peer Steinbrück ist ein gutes Beispiel für die Schwierigkeiten, die mit der humorvollen Kommunikation verbunden sind. Er ist ja dafür bekannt, dass er manchmal deftig kommuniziert, dass er Bilder findet, die aus dem Rahmen fallen, und dass er auf der internationalen Bühne damit aneckt. Ich würde seinen Beratern ans Herz legen, diese wilde Rhetorik etwas an die Kette zu legen.
Frage: Und Kanzlerin Angela Merkel, wen braucht die CDU-Frontfrau in ihrem Team, um lustig zu werden?
Antwort: Wir haben festgestellt, dass man für humorvolle Kommunikation ein gewisses Talent haben muss. Das kann man nicht erlernen. Frau Merkel hat bis jetzt gut daran getan, dass sie mit Unterhaltungsformaten sehr zurückhaltend umgegangen ist. Ich würde ihr raten, zurückhaltend zu bleiben.
Frage: Welche Gefahren lauern für die Politiker in einem Auftritt in einer politischen Satiresendung?
Antwort: Tritt ein Politiker zu ernst auf, kann er als Spaßverderber gelten. Das ist Obama bei seinem ersten Auftritt in „The Daily Show“ passiert. Die zweite Gefahr ist, dass der Politiker zu albern auftritt. Dann kann es sein, dass er sein Image als seriöser Amtsinhaber verliert. Ich vergleiche solche Auftritte gerne mit einem hochriskanten Investment. Gelingt es, kann man große Gewinne bei der Wählerschaft erzielen. Wenn es aber misslingt, kann man desaströse Auswirkungen auf das Image feststellen.
Frage: Welche Rolle spielt die Unterhaltung für den Wahlausgang?
Antwort: Die Wirkung ist schwer messbar. Ich glaube aber, dass in einer modernen Mediendemokratie die Sympathiewerte für die Chancen, gewählt zu werden, sehr wichtig sind. Wer sich humorvoll und selbstironisch präsentieren kann, sammelt Punkte. Und die können wahlentscheidend sein.