Medizin und Politik kritisieren Krisenmanagement
Berlin (dpa) - Das Krisenmanagement von Politik und Wissenschaft angesichts weiter steigender EHEC-Fälle gerät immer mehr in die Kritik.
„Auch über einen Monat nach Ausbruch der Seuche arbeiten Ministerien, Bundesbehörden, Bundesländer, Kliniken und Gesundheitsämter unkoordiniert nebeneinander her, ohne dass eine klare Linie erkennbar ist“, teilte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, am Sonntag mit.
Der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie, Reinhard Brunkhorst, sagte der „Ärzte Zeitung“ (Neu-Isenburg/Montag), es sei nicht sinnvoll, in einer solchen Situation mit landesbezogenen Gesundheitsbehörden und -ämtern zu arbeiten. Er schlug für Ausnahmefälle wie der gegenwärtigen Epidemie eine einheitliche Struktur in Händen des Robert Koch-Instituts (RKI) vor.
Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) verteidigte hingegen die Arbeit der Regierung und der zuständigen Stellen: „Ich sehe derzeit keinen Hinweis darauf, dass die Systeme und Regeln, die wir haben, nicht funktionieren“, sagte er bei einem Besuch im Hamburger Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) am Sonntag. Bund, Länder und das RKI arbeiten seiner Ansicht nach sehr gut zusammen.
Der Ärztliche Direktor der Berliner Charité, Ulrich Frei, bemängelte, das Universitätsklinikum habe erst in der vergangenen Woche EHEC-Fragebögen vom RKI für die Patienten bekommen. „Das reicht nicht. Man hätte die Patienten interviewen sollen“, sagte er dem „Tagesspiegel“. Es sei zudem nicht erkennbar, was das RKI erarbeite. „Wir brauchen eine bessere Informationspolitik.“
Eine RKI-Sprecherin wies im „Tagesspiegel“ die Vorwürfe zurück. Das Institut habe nach Ausbruch des Darmkeims zügig reagiert.
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sagte der in Berlin erscheinenden „BZ am Sonntag“: „Die Aufklärung der Bevölkerung ist nicht ausreichend und muss dringend optimiert werden.“ Es gebe beispielsweise „keine verbindliche Übersicht“, wo genau in Deutschland neue Verdachtsfälle mit welchem Schweregrad auftreten.
Kritik kam auch aus dem Ausland. Tschechiens Agrarminister Ivan Fuksa sagte im Fernsehen, der Fluss von Information sei zu langsam. „Bei den Deutschen kann das mitunter fünf Tage dauern“, sagte Fuksa. Er wolle sich in Brüssel für eine Beschleunigung der EU-weiten Warnmeldungen einsetzen.