Kampf gegen Fluchtursachen Merkel auf ihrem Schicksalskontinent
Dakar (dpa) - Als Angela Merkel am Mittwoch vom neugebauten Flughafen Blaise Diagne ins historische Zentrum von Dakar fährt, kann sie Chancen und Risiken des Landes im Eiltempo besichtigen.
Der 15-Millionen-Einwohnerstaat an der westlichsten Spitze des afrikanischen Kontinents erlebt eine Art Boom, auf dem Weg der Kanzlerin zum Präsidentenpalast liegt die Sonderwirtschaftszone Diamniadio. Präsident Macky Sall will mit einem ehrgeizigen Reform- und Investitionsprogramm ausländische Investoren anlocken.
Doch das rasant wachsende Bevölkerungswachstum droht das Wirtschaftswachstum wieder aufzufressen - Salls Regierung schafft es nicht, genügend Ausbildungs- und Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen, um ausreichend Perspektiven für die junge Bevölkerung zu schaffen. Senegal gehört weiterhin zu den ärmsten Ländern der Welt. Das Pro-Kopf-Einkommen liegt bei 1000 Euro im Jahr - wenig, verglichen mit Ghana (1900 Euro) und Nigeria (2300 Euro), den nächsten Stationen auf Merkels bis Freitag dauernder Westafrikareise.
Merkel will den Senegal stützen, bessere Voraussetzungen für deutsche Investitionen im Land und damit Arbeitskräfte schaffen, genau wie in Ghana und Nigeria. Es soll eine „Win-Win-Situation“ sein: Der Senegal und die beiden anderen Länder haben mehr oder weniger demokratisch gewählte Regierungen, sie setzen sich nach der Analyse der Bundesregierung in ihrer Region aktiv für Frieden, Sicherheit, Demokratie und die Stärkung multilateraler Strukturen ein. Und deutsche Unternehmen könnten auch noch etwas davon haben.
Sall schmeichelt Merkel dann bei ihrem gemeinsamen Auftritt nach dem Gespräch mit den blumigsten Formulierungen. Die Kanzlerin sei bekannt für ihre Führungsrolle in Deutschland, Europa und der Welt und dafür, dass Deutschland als Stabilitätspol weltweit gehört werde.
Nicht ganz klar wird dabei, ob er die Worte eher ironisch meint. Denn etwas später reagiert Sall auf die Frage, ob man in seinem Land auch die aktuellen Vorgänge in Europa beobachte, etwa im Zusammenhang mit Nationalismus oder Fremdenfeindlichkeit. Natürlich, sagt der Präsident da - die Regierungskrise um Merkel und die Auseinandersetzungen in Europa um ihre Flüchtlingspolitik dürften ihm also nicht entgangen sein.
Salls Bekenntnis zum Vorgehen gegen illegale Migration klingt vielversprechend: Der Kampf gegen die Schleuser sei „eine Frage der Würde Afrikas“. Die dortigen Regierungen dürften sich nicht zu Komplizen von Schleppern und Schleusern machen.
Wieviel Wert solche Zusagen haben, muss sich zeigen - in seinem Land dürften viele Familien sehr auf die Rücküberweisungen von Migranten angewiesen sein, die es nach Europa geschafft haben. Und dann sagt Sall noch, Europa solle keine Angst vor Migranten haben. Natürlich müssten „diese großen Wellen“ von Migranten und Flüchtlingen beherrscht werden. Er glaube aber nicht, „dass sich Europa weiter abschotten kann“. Dass er damit lediglich Möglichkeiten für eine legale Migration meint, dürfte Merkel jedenfalls hoffen.
Auch bei einem anderen Thema bleibt Sall glasklar bei seiner Linie: Senegal sei für jedwede Investitionen offen - aus China, der Türkei, Frankreich und auch von den USA. Und selbstverständlich auch aus Deutschland und Europa. Dabei will die Kanzlerin dem Präsidenten gerade Investitionen aus Deutschland noch mehr schmackhaft machen - und auch den deutschen Unternehmen die Angst vor der Rechtsunsicherheit in Afrika nehmen. Kleiner Aspekt am Rande: Der nagelneue Flughafen, auf dem Merkel gelandet war, ist von türkischen Firmen gebaut worden.
Zu häufig werde in der Wirtschaft ein zu düsteres Bild von Afrika gemalt, den afrikanischen Ländern werde zu wenig zugetraut, moniert Merkel. Die Kanzlerin wird auf ihrer dreitägigen Westafrikareise von einer Wirtschaftsdelegation mit Vertretern unter anderem aus den Bereichen Elektrifizierung, Automatisierung, Digitalisierung, Infrastruktur, Wasserwirtschaft und erneuerbaren Energien begleitet.
Am Rande des Besuchs wird am Mittwochabend noch eine Art Leuchtturmprojekt mit einem deutschen Unternehmen unterzeichnet, auf das Merkel und ihre Mannschaft besonders stolz sind. Es geht um die Versorgung von 300 senegalesischen Dörfern mit Solarenergie, Investitionsvolumen: 120 Millionen Euro. Merkel nennt das Projekt ein gutes Symbol für ihren Besuch: Schließlich gehe es für sie und ihre Regierung um die gleichwertige Entwicklung nicht nur der Städte, sondern auch des ländlichen Raums in Afrika.