Merkel: Berlusconi-Nachfolger muss hart sparen
Rom/Berlin (dpa) - Silvio Berlusconi will Abschied von der großen Polit-Bühne nehmen. Auch von seinem Nachfolger erwartet Europa einen harten Sparkurs. Italien müsse seine Pläne nun glaubwürdig umsetzen, sagte Kanzlerin Angela Merkel in einem dpa-Interview.
Die Finanzmärkte honorierten den sich abzeichnenden Machtwechsel in dem hochverschuldeten Land allerdings nicht: Aktienmärkte und Eurokurs fielen ins Minus, der Anleihemarkt verlangt von Rom so hohe Zinsen wie noch nie.
Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa: „Italien muss seine Sparanstrengungen verstärken - und das weiß auch die italienische Regierung. Sie hat einen Plan vorgelegt, der jetzt umgesetzt werden muss.“ Zur Frage, ob die bisherigen Sparpläne Roms ausreichen, sagte die Kanzlerin: „Kein Staat kann zurzeit von sich behaupten, er sei am Ende des Reformweges, wir alle werden immer wieder über Anpassungen nachdenken müssen. Aber für Italien kann man sagen, dass das Land sich bereits viel vorgenommen hat.“
Die Turiner Tageszeitung „La Stampa“ zitierte Berlusconi mit den Worten: „Da keine anderen Mehrheiten (im Parlament) möglich sind, sehe ich nur Neuwahlen Anfang Februar, bei denen ich nicht mehr kandidieren werde.“
Berlusconi hatte am Vortag seinen Rücktritt angekündigt. Die Abstimmung über den Rechenschaftsbericht seiner Koalitionsregierung zeigte, dass er keine Mehrheit mehr im Parlament hat. Vorher will Berlusconi aber erst noch ein Reformgesetz durchsetzen, das für mehr Wirtschaftswachstum sorgen sollen. Nach den Fahrplänen des Parlaments dürfte zunächst der Senat vom 15. bis 18. November das Stabilitätsgesetz mit den Reformzusätzen der Regierung behandeln. Dann geht der Entwurf in das Abgeordnetenhaus.
Ob Alfano, seit langem Berlusconis Kronprinz, sich durchsetzt, entscheiden letztlich die 1,2 Millionen PdL-Mitglieder. Die Mitte-Rechts-Parteien sind für Neuwahlen, der größte Teil der linken Opposition will eine Übergangsregierung. Als Chef einer solchen wird der ehemalige EU-Kommissar Mario Monti gehandelt.
Wie es weitergeht, muss Staatspräsident Napolitano gemeinsam mit allen Parteien entscheiden. Neben einer Auflösung des Parlaments mit anschließenden Neuwahlen könnte er auch einen ihm geeignet erscheinenden Kandidaten mit der Regierungsbildung beauftragen. Rein theoretisch könnte der Präsident auch Berlusconi erneut beauftragen.
Berlusconi selbst hat eine klare Vorstellung von einem geeigneten Nachfolger. „Der Mitte-Rechts-Kandidat wird Angelino Alfano sein, er wird von allen akzeptiert“, so der Regierungschef. Eine neue Regierung unter Alfano sofort nach dem Rücktritt hält er nicht für sinnvoll. Da werde dieser nur verheizt. Alfano, früher Justizminister, ist Chef der Berlusconi-Partei PdL (Volk der Freiheit).
Die Rücktrittsabsicht sorgte an den Finanzmärkten für keinerlei Entspannung. Der Euro fiel am Mittwoch in Richtung 1,36 US-Dollar. Die europäischen Aktienmärkte starteten zwar mit Gewinnen in den Handel, sackten dann aber rasch mehr als 2,5 Prozent ins Minus. Geld am Kapitalmarkt aufzunehmen, wird zudem für Rom immer teurer. Am Mittwoch stieg die Rendite der richtungsweisenden Staatsanleihe mit zehnjähriger Laufzeit erstmals seit Euro-Einführung über die Marke von sieben Prozent, in der Spitze bis auf 7,35 Prozent. Die Renditeschwelle von sieben Prozent gilt an den Finanzmärkten als kritisch: Bei diesem Niveau mussten die Euro-Länder Griechenland, Irland und Portugal gerettet werden. Ein Automatismus leitet sich daraus freilich nicht ab.
Kanzlerin Merkel verwies im dpa-Gespräch auf die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, die mangelndes Vertrauen als eigentliche Ursache für Italiens schweren Stand an den Kreditmärkten ausgemacht hatte. „Dieses Vertrauen kann wiederhergestellt werden, wenn Italien seine Pläne glaubwürdig umsetzt“, sagte Merkel. „Vertrauen ist in der derzeitigen Situation eine rare Münze, wir brauchen mehr davon. Wir wissen seid Ludwig Erhard: Ökonomie ist zur Hälfte Psychologie“
Italien ist nach Griechenland das Mitglied mit der höchsten Staatsverschuldung gemessen an der Wirtschaftsleistung. Inzwischen überwachen die Europäische Union und der IWF die Sanierung des Landes.