Merkel bleibt bei Gipfel hart: Keine Konjunkturprogramme
Camp David/Chicago (dpa) - Die führenden Industriestaaten und Russland (G8) gehen in der Wirtschaftspolitik wieder getrennte Wege.
Beim Treffen der führenden Industrienationen und Russlands in den USA stellten sie ausdrücklich fest, dass die Ausgangslagen der Volkswirtschaften zu unterschiedlich seien, um gemeinsame Maßnahmen zu ergreifen.
Unten den großen westlichen Industriestaaten hat Deutschland derzeit beim Wachstum eine Spitzenposition. Die USA und Frankreich beklagen beispielsweise schwache Wachstumsraten und hohe Arbeitslosigkeit, Großbritannien steckt noch in der Rezession.
Die Staats- und Regierungschefs trafen sich zwei Tage in Camp David, dem Landsitz von US-Präsident Barack Obama, nicht weit von Washington. Zur Gruppe der Acht gehören die USA, Kanada, Japan, Russland, Deutschland, Frankreich und Italien. Auch die Spitze der Europäischen Union sitzt am Verhandlungstisch.
In der Abschlusserklärung wird der von Bundeskanzlerin Angela Merkel geforderte Kurs der Haushaltssanierung genauso gewürdigt wie die Möglichkeit, staatliche Programme für mehr Wachstum aufzulegen.
Mit dieser Position symphatisieren Obama und der neue französische Präsident François Hollande, der bei seinen Wählern im Wort steht. Die Kanzlerin hatte wiederholt klargemacht, dass gerade auf Pump gekauftes Wachstum zu der noch immer bedrohlichen Euro-Schuldenkrise geführt habe.
„Unser Gebot ist, Wachstum und Jobs zu schaffen“, lautete letztlich das unverbindliche Motto in der Abschlusserklärung.
Obama fürchtet im November angesichts der mäßigen Konjunktur um die Wiederwahl. Auch deshalb setzte er sich mit dem Vorschlag durch, im Kampf gegen hohe Ölpreise notfalls strategische Ölreserven freizugeben. In den USA sind die Benzinpreise derzeit relativ hoch.
Auch wenn der Ölpreis in der vergangenen Woche auf ein Sechs-Monats-Tief gefallen waren, wollten die USA offensichtlich für den Fall eines israelischen Angriffs auf die iranischen Atomanlagen vorsorgen. Dann könnte der Iran die Straße von Hormus blockieren, eine wichtige Schiffsroute für den Öltransport.
Angesichts der Turbulenzen in der europäischen Schuldenkrise lehnte die G8 einen Ausschluss Griechenlands aus der Eurozone ab. „Alle G8-Mitgliedstaaten wollen, dass Griechenland in der Euro-Zone bleibt“, sagte Merkel. Voraussetzung sei, dass das Land seine Verpflichtungen einhalte. „Das ist von allen gleichermaßen hier so geteilt worden.“
Die Europäer hoffen, dass sich bei den Neuwahlen in Griechenland am 17. Juni Parteien durchsetzen, die das umstrittene Spar- und Reformprogramm weiterführen.
Merkel nutzte den Gipfel auch für Einzelgespräche. Nach dem Gipfel traf sie Obama zu einem bilateralen Gespräch. Ergebnisse wurden zunächst nicht bekannt.
Merkel traf laut Diplomaten auch den russischen Regierungschef Dmitri Medwedew. Gesprächsthemen seien die Euro-Schuldenkrise und die politische Situation in Russland nach den Wahlen gewesen. Medwedew vertrat Russlands Präsident Wladimir Putin, der Obama eine Absage erteilt hatte. Ohne Putin fehlte es dem Gipfel an Schlagkraft.
Zum Auftakt des Gipfels in zwangloser Atmosphäre hatte Obama seine Kollegen zu einem Arbeitsessen gebeten. Zwei Stunden sprach die Runde über die internationalen Brennpunkte.
In den seit Jahren anhaltenden Atomstreit mit dem Iran ist Bewegung zu kommen. Obama äußerte sich in Camp David demonstrativ optimistisch: „Es ist unsere Hoffnung, dass wir diese Angelegenheit in friedlicher Weise lösen können.“ Er rief zugleich dazu auf, den Druck aufrecht zu erhalten.
Bereits am Montag will der Chef der Atomenergiebehörde IAEA, Yukiya Amano, mit der Führung in Teheran Gespräche führen. Am Mittwoch werden die UN-Vetomächte sowie Deutschland in Bagdad ebenfalls mit iranischen Vertretern sprechen.
Weiteres wichtiges außenpolitisches Thema war Syrien. Hier wurden offensichtlich keine Fortschritte gemacht. Zwar meinte Obama, alle G8-Staaten strebten politischen Wandel in dem arabischen Land an. Der Friedensplan des UN-Sondergesandten Kofi Annan, der im Kern die Stationierung von Beobachtern vorsieht, müsse umgesetzt werden.
Allerdings merkte Russland an, dass ein Regimewechsel in Damaskus erzwungen werden könne. Die Syrier müssten ihre Angelegenheiten selbst lösen, verlautete aus den Gesprächen.
Offensichtlich auf Wunsch Russlands wurden auch terroristische Anschläge von Regimegegnern in Syrien erwähnt. „Wir verurteilen streng jüngste Terroranschläge in Syrien.“
Die G8 sagte Afghanistan weitere Unterstützung beim Aufbau eines demokratischen Staates zu. In der Abschlusserklärung wurden - auch mit Blick auf den folgenden Nato-Gipfel in Chicago - allerdings keine Beträge genannt. Darüber soll im Juli bei einer Geberkonferenz in Tokio entschieden werden.
Vor dem Nato-Gipfel verschärfte die Polizei nach ersten Protesten in den Vortagen ihre Sicherheitsmaßnahmen. Rund 3000 Polizisten waren im Einsatz. Das Konferenzzentrum südlich des Stadtzentrums war weiträumig abgesperrt. Sicherheitskräfte vereitelten nach eigenen Angaben Brandanschläge und ermittelten wegen eines möglichen terroristischen Hintergrunds.