Müllers linker Dreier

Berlin (dpa) - Teilen ist Michael Müller als Einzelkind nicht so recht gewohnt. Doch nach der für seine SPD historisch schlechten Wahl wird Berlins Regierungschef es müssen. In einer Koalition mit zwei weiteren Partnern - und nichts anderes ist möglich in der Hauptstadt - wird er Macht verlieren.

Und er muss seine Kommunikation ändern. Bisher machte der 51-Jährige wichtige Entscheidungen lieber mit sich aus. Nun verlangt Müllers linker Wunsch-Dreier einen neuen Stil.

Das weiß der Regierende Bürgermeister selbst. „Es wird vom ersten Tag an in einer Dreierkoalition einen deutlich größeren Kommunikations- und Abstimmungsbedarf geben“, sagt er am Morgen nach der Wahl in die Radiomikrofone des rbb. Er hat Sorge, das Regieren mit Linken und Grünen könnte noch schwieriger werden als die letzten fünf Jahre mit der CDU. Und das will was heißen. Mehrmals stand die rot-schwarze Koalition kurz vor dem Kollaps - doch nie zogen Müller oder sein Vorgänger Klaus Wowereit die letzte Konsequenz.

Nun muss Müller, dessen SPD mit 21,6 Prozent so schwach abschnitt wie noch kein Wahlsieger in der Nachkriegsgeschichte, Verantwortung und Macht abgeben. Nur ein Siebtel der Berliner Wahlberechtigten, Nicht-Wähler eingerechnet, stimmte für die Sozialdemokraten. Das ist nicht gerade ein überwältigender Rückhalt. Die „Juniorpartner“ in einer rot-rot-grünen Koalition wären gar nicht so „junior“, liegen sie doch beide keine 6,5 Punkte zurück.

Vor allem die Linken werden sich nicht noch einmal so unterordnen und abspeisen lassen wie in den zehn Jahren der rot-roten Koalition in den Nuller-Jahren. „Wenn wir eine andere Politik hinbekommen, die auf die Basta-Aussagen einer Partei verzichtet, die glaubt, sie hätte noch 40 Prozent, dann können wir es versuchen“, sagt Linke-Chef Klaus Lederer selbstbewusst dem Fernsehsender Phoenix.

Die Linke ist ein Gewinner der Abgeordnetenhauswahl, konnte als einzige im Bundestag vertretene Partei zulegen - wenn auch von einem niedrigen Ergebnis 2011 aus. In Thüringen hat sie mit Ministerpräsident Bodo Ramelow vorgemacht, dass man ein rot-rot-grünes Bündnis auf Augenhöhe führen kann. Den Anspruch formulieren die Berliner Linken jetzt an Müller.

Die Grünen werden wohl weniger querschießen. Sie sind ehrgeizig und wollen unbedingt regieren, allen voran Spitzenkandidatin Ramona Pop. Doch bei der Wahl lief's nicht wie erhofft: Die in den Umfragen zuvor starke Ökopartei landete hinter den Linken. Das dürfte am Ego kratzen. Zwar bekommen sie gleich viele Sitze im Parlament. Bei der Verteilung der Senatorenposten könnten die Linken aber darauf bestehen, die Unterschiede deutlicher aufzuwiegen.

In der SPD geht die Sorge um, die beiden kleineren Partner könnten sich gegen sie verbünden. Ob der bundesweit weithin unbekannte, von vielen als blass wahrgenommene Müller mit so schlechten Wahlergebnissen noch der richtige Mann ist, ist strittig. Es gibt Gerüchte, die Parteilinke säge intern wieder einmal an Müllers Stuhl. Das gab es schon einmal - mit dem Resultat, dass Müller zwischenzeitlich den Landesvorsitz verlor.

Die Mehrheit der Berliner wünscht sich Umfragen zufolge eine rot-rot-grüne Regierung. Angst davor müsse man jedenfalls nicht haben, beruhigt Parteienforscher Gero Neugebauer in der „Berliner Zeitung“. Es könne sich „eine urdemokratische Eigenschaft“ entfalten. „Nämlich die Bereitschaft, Konsens zu finden und Kompromisse zu schließen.“