Nahles will Frühverrentungswelle bei Rente ab 63 vermeiden

Berlin (dpa) - Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) will verhindern, dass die Rente ab 63 für besonders langjährig Versicherte zu einer neuen Frühverrentungswelle missbraucht wird. Das Problem stellt sich, weil für die Neuregelung auch Zeiten von Kurzzeitarbeitslosigkeit anerkannt werden sollen.

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Damit wäre schon für 61-Jährige der Weg in die abschlagfreie Rente frei, wenn sie die letzten beiden Jahre Arbeitslosengeld I beziehen.

Um dieser Praxis einen Riegel vorzuschieben, soll im parlamentarischen Verfahren geprüft werden, „ob und wie eine Frühverrentung durch eine verfassungskonforme Regelung verhindert werden kann“. Das geht aus dem Begleitschreiben zum Gesetzentwurf hervor, der an diesem Mittwoch vom Kabinett beschlossen werden soll.

Wie das aber geschehen soll, bleibt offen. Eine Möglichkeit wäre, für die Arbeitgeber die Entlassung Älterer unattraktiv zu machen und dazu wieder eine Erstattungspflicht einzuführen - für das Arbeitslosengeld I und die Beiträge zur Renten-, Kranken- und Pflegekasse. Eine solche Regelung gab es bis 2006 schon einmal.

Die Rente ab 63 bedeute - heißt es in der Entwurfs-Begründung ausdrücklich - „keine Rückkehr zur Frühverrentungspolitik der achtziger und neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts“. Diese Sorge war aus Kreisen der Union und der Wirtschaft laut geworden, verbunden mit der Forderung, Arbeitslosigkeit vor der Rente aus der Regelung auszunehmen.

Ein Problem ist auch, dass die Rentenversicherung Zeiten von Kurzzeit- und Langzeitarbeitslosigkeit in früheren Jahren wegen einer Datenlücke nicht auseinanderhalten kann. Als Lösung denkbar wäre, dass Betroffene länger zurückliegende Kurzzeitarbeitslosigkeit durch eine eidesstattliche Erklärung nachweisen.

Die abschlagfreie Rente ab 63 nach 45 Versicherungsjahren ist Teil des großen schwarz-roten Rentenpakets, zu dem auch die Verbesserung der Mütterrente und die Aufstockung der Renten für Erwerbsgeminderte gehört. Die Gesamtkosten für die Leistungsverbesserungen belaufen sich auf jährlich zwischen neun und elf Milliarden Euro. Die sollen zunächst aus der gut gefüllten Rentenkasse bezahlt werden.

Für den DGB sei die Vermeidung von Frühverrentungsprogrammen „oberste Aufgabe der Unternehmen selbst“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. Frühverrentungs-Strategien sollte die Regierung notfalls durch finanzielle Regressregelungen für die Arbeitgeber durchkreuzen.

Unzufrieden zeigte sich die Wirtschaft. Die Rentenpläne seien „eine Rolle rückwärts“, sagte Hubertus Pellengahr, Geschäftsführer der von den Metall-Arbeitgebern finanzierten „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ (INSM). Nach einer von ihr in Auftrag gegebenen Emnid-Umfrage wollen 69 Prozent der Deutschen nicht auf Einkommen zur Finanzierung der Rentenpläne verzichten. 29 Prozent der Befragten wären damit einverstanden.

Der Münchener Wirtschafts- und Sozialökonom Axel Börsch-Supan kritisierte das Rentenpaket bei einer INSM-Veranstaltung in Berlin als generationen-ungerecht: Es komme vor allem Älteren zugute und belaste Jüngere. Mit der Rente ab 63 baue die Regierung einen „perfekten Tunnel“ für arbeitslose 61-Jährige in den Ruhestand. Dies mache die Arbeitsmarkterfolge der Agenda 2010 wieder zunichte.