Geburtenstarke Jahrgänge nähern sich der Rente - was tun?

Frankfurt/Main (dpa) - Die Arbeitgeber in Deutschland müssen nach Ansicht von Fachleuten dringend flexiblere Modelle für den Übergang vom Job in die Rente schaffen. Mit den geburtenstarken Jahrgängen erreichten in den nächsten 15 Jahren rund 20 Millionen Menschen in Deutschland das Rentenalter.

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Darauf seien die Unternehmen aber noch nicht vorbereitet, sagt der Geschäftsführer der Initiative Beruf und Familie, Stefan Becker, und stützt sich auf eine Umfrage des Marktforschungsinstituts GfK. Befragt wurden Arbeitnehmer der geburtenstarken Jahrgänge (45 bis 60 Jahre alt) sowie Arbeitgeber.

Wie wollen die Arbeitnehmer der geburtenstarken Jahrgänge ihr Erwerbsleben abschließen?

Nur gut jeder Vierte (28 Prozent) will bis zum Renteneintrittsalter voll erwerbstätig bleiben. Fast genauso viele (26 Prozent) möchten nur mit reduzierter Arbeitszeit bis zum Schluss im Job bleiben. Und ein gutes Drittel (34 Prozent) will vorzeitig in Rente gehen. 8 Prozent würden am liebsten auch nach der Rente noch weiter arbeiten: voll oder Teilzeit. Und 3 Prozent wünschen sich vor und nach Beginn der Rente einen Teilzeit-Job. Drei Viertel geben an, dass sich eine kürzere Wochenarbeitszeit positiv auf ihre Familienarbeit und ehrenamtliches Engagement auswirken würde.

Wie schätzen die Arbeitgeber das Verhalten ihrer älteren Mitarbeiter ein?

Die Arbeitgeber rechnen der Umfrage zufolge damit, dass 61 Prozent ihrer Beschäftigten bis zum Schluss voll arbeiten. Damit weichen ihre Vorstellungen stark von den Wünschen ihrer Mitarbeiter ab.

Was können die Unternehmen tun?

Mehr als die Hälfte der Erwerbstätigen (56 Prozent) wünscht sich beim Übergang vom Job in den Ruhestand mehr Unterstützung. Ganz oben auf der Wunschliste stehen flexible Arbeitszeitmodelle (75 Prozent).

Was bieten die Arbeitgeber an?

Nur jeder zehnte Arbeitnehmer findet, dass es in seinem Unternehmen bereits genügend Angebote für den Übergang von der einen in die andere Lebensphase gibt. Trotzdem sieht mehr als die Hälfte der Arbeitgeber (57 Prozent) einen Mehrwert in der Gestaltung dieses Übergangs. Die Unternehmen versprechen sich davon einen besseren Wissenstransfer von Alt zu Jung, gesteigerte Leistungsfähigkeit der Beschäftigten sowie ein Mittel gegen den Fachkräftemangel.

Wer ist die Initiative Beruf und Familie?

Die gemeinnützige Hertie-Stiftung mit Sitz in Frankfurt am Main hat 1998 die „Beruf und Familie gGmbH“ als 100-prozentige Tochter gegründet. Ihr Ziel ist es, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern.

Wen hat das Marktforschungsinstitut GfK befragt?

„Arbeit und Alter“ heißt die Befragung, bei der je 500 Arbeitnehmer und Arbeitgeber von kleinen, mittleren und großen Unternehmen zu Wort kamen.

Wie reagieren die Arbeitgeber auf die Umfrage?

Nach Auffassung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) haben die Betriebe die demografische Herausforderung längst angenommen. „Die Zahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigten 60- bis 64-Jährigen hat seit 2000 um mehr als das Anderthalbfache auf über 1,6 Millionen zugenommen“, sagte BDA-Sprecher Jörg Swane. „Mehr Beschäftigung Älterer bleibt angesichts der demografischen Entwicklung, der wachsenden Fachkräfteengpässe und Finanzierungsprobleme der gesetzlichen Rentenversicherung unverzichtbar.“

Wie fällt die Reaktion der Arbeitnehmervertreter aus?

Der Verdi-Bundesvorstand fordert auch flexiblere Übergänge. „Die Erwartung der Arbeitgeber verkennt die betriebliche Wirklichkeit“, sagte Sprecher Christoph Schmitz. „Derzeit sind weniger als ein Drittel der 60- bis 64- Jährigen sozialversicherungspflichtig beschäftigt. In vielen Branchen ist die Belastung so groß, dass Beschäftigte das gesetzliche Renteneintrittsalter nicht erreichen.“