Neuer Schlag für Ägyptens Muslimbruderschaft
Kairo/Brüssel (dpa) - Die neuen ägyptischen Machthaber haben zu einem weiteren Schlag gegen die Islamisten ausgeholt. Polizisten verhafteten das Oberhaupt der Muslimbruderschaft, Mohammed Badia, in einer Wohnung in Kairo, in der er sich versteckt hatte.
Die Islamisten-Bewegung will ihren Kampf dennoch fortsetzen: Ein Sprecher der Bewegung teilte am Dienstag mit, Badia sei letztlich auch nur eines von vielen Mitgliedern der Bruderschaft, die tief in der ägyptischen Gesellschaft verankert sei. Die Kampagne gegen den „Militärputsch“ werde weitergehen. Mahmud Essat, ein Stellvertreter Badias, wurde zum „temporären Oberhaupt“ der Bewegung ernannt.
Die EU-Außenminister wollen bei einer Sondersitzung an diesem Mittwoch in Brüssel (13.00 Uhr) die Fortsetzung ihrer Finanz- und Militärhilfen für das Land überprüfen. Das Weiße Haus wies einen Bericht zurück, die USA hätten einen Teil der milliardenschweren Militärhilfe für Ägypten vorübergehend auf Eis gelegt. Sprecher Josh Earnest bekräftigte Äußerungen vom Vortag, dass die USA die Hilfe überprüften und dieser Prozess noch nicht abgeschlossen sei. Der Sender CNN hatte am Dienstagmorgen gemeldet, die Regierung von Präsident Barack Obama wolle einige der Mittel „umprogrammieren“.
Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton, die Ende Juli in Kairo vergeblich Militärs und Islamisten zu Gesprächen zu bewegen versucht hatte, zeigte sich zu einem neuen Vermittlungsversuch bereit: „Ich habe dem ägyptischen Außenminister gesagt, dass ich sehr bereit zur Rückkehr nach Ägypten wäre, wenn sie (die Ägypter) das wünschten“, sagte sie. Bei den EU-Regierungen herrsche „große Sorge“ über die Gewalt: „Das bedeutet natürlich, dass die Mitgliedsstaaten darüber nachdenken müssen, wie sie das ägyptische Volk weiterhin unterstützen können.“
Mehrere westliche Regierungen hatten die neue ägyptische Führung scharf kritisiert, nachdem Anschläge, Polizeigewalt und Straßenkämpfe in den vergangenen Tagen mehr als 800 Tote gefordert hatten. Sie mahnen eine Versöhnung der Übergangsregierung mit den vom Militär entmachteten Muslimbrüdern an. Deutschland und einige andere europäische Staaten strichen Hilfsprojekte, um den Druck zu erhöhen.
Badia war am Montag in der Nähe des von der Polizei geräumten Protestlagers der Islamisten an der Rabea-al-Adawija-Moschee im Kairoer Stadtteil Nasr-City verhaftet worden. Die Justiz ordnete für das Oberhaupt der Muslimbruderschaft 15 Tage Untersuchungshaft an. Wie am Dienstag aus Justizkreisen in Kairo verlautete, wird gegen ihn wegen der Beteiligung an der Tötung von Demonstranten vor dem Präsidentenpalast am 5. Dezember 2012 ermittelt. Außerdem geht die Staatsanwaltschaft dem Vorwurf nach, Badia habe zur Erstürmung eines Gebäudes der Republikanischen Garde im vergangenen Juni aufgerufen.
Seit der Räumung der Protestlager in Kairo am vergangenen Mittwoch sind mehrere Dutzend Führungspersönlichkeiten der Muslimbruderschaft verhaftet worden. Zudem wurden Hunderte Anhänger der Bewegung festgenommen, die für die Rückkehr von Präsident Mohammed Mursi demonstriert hatten.
Unterdessen droht auch Friedensnobelpreisträger Mohamed ElBaradei Ungemach durch die ägyptische Justiz. Das Nachrichtenportal „Al-Ahram“ berichtete, ein Prozess gegen ihn werde am 19. September in Kairo beginnen. Der Kläger: ein Jura-Professor. Dieser sei der Ansicht, ElBaradei habe durch seinen Rücktritt als Vizepräsident das in ihn gesetzte „Vertrauen verraten“. Ob ElBaradei zu dem Termin erscheinen wird, ist fraglich. Er war am Sonntag nach Österreich ausgereist.
Der ägyptische Militärchef Abdelfattah al-Sisi verlässt sich derweil auf Saudi-Arabien: Die Zeitung „Al-Sharq Al-Awsat“ berichtete am Dienstag, Al-Sisi habe sich in einem Telefonat mit dem saudischen Kronprinzen Salman bin Abdelasis Al-Saud für die Unterstützung des Königreichs bedankt. Außenminister Prinz Saud al-Faisal hatte zuvor erklärt, die arabischen Staaten könnten, falls westliche Hilfen eingestellt werden sollten, diese ausgleichen. Am Dienstag empfing Ägyptens Ministerpräsident Hasim al-Beblawi eine Delegation aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, die nach Informationen des Nachrichtenportals „youm7“ wirtschaftliche Kooperation anbot.
Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan beschuldigte indes Israel, beim Sturz Mursis die Strippen gezogen zu haben. „Israel steckt hinter dem Putsch in Ägypten. Wir haben dafür Beweise“, zitierten türkische Medien den Regierungschef in Ankara. Als Beleg habe er angeführt, es sei bereits 2011 bei einem Treffen eines israelischen Regierungsmitglieds mit einem französischen Intellektuellen besprochen worden, dass die Muslimbrüder auch bei einem Wahlsieg nicht an die Macht kommen dürften. Namen nannte Erdogan nicht. Nach Angaben der Zeitung „Hürriyet“ handelt es sich bei dem „Beleg“ um ein Video, das die heutige israelische Justizministerin Zipi Livni bei einer Podiumsdiskussion an der Seite des Philosophen Bernard Henri-Levy zeigt.