Nordkoreas Machthaber Kim Jong Il ist tot
Seoul/Pjöngjang (dpa) - Der Tod des Staatsführers der Atommacht Nordkorea, Kim Jong Il, hat bei den Nachbarn große Sorge vor einer gefährlichen Instabilität ausgelöst.
Mit zweitägiger Verspätung berichtete das nordkoreanische Staatsfernsehen am Montag, Kim sei am Samstag während einer Inspektionsreise mit dem Zug als Folge „großer körperlicher und geistiger Ermüdung“ an einem Herzinfarkt gestorben. Der Diktator war nach offiziellen Angaben 69 Jahre alt.
Nordkoreas Militär und die Bevölkerung hätten dem als „großartigen Nachfolger“ gepriesenen Diktatoren-Sohn Kim Jong Un die Treue geschworen. Er ist Enkel des Staatsgründers Kim Il Sung. Am Tag der Todesnachricht testete Nordkorea laut südkoreanischen Berichten zwei Raketen mit kurzer Reichweite vor der Ostküste.
Asiatische Börsen reagierten mit Kursverlusten. Südkorea versetzte seine Streitkräfte in Alarmbereitschaft. Präsident Lee Myung Bak rief seine Landsleute zur Ruhe auf und telefonierte eigens mit US-Präsident Barack Obama. Obama habe dabei das „klare Bekenntnis“ der USA unterstrichen, sich für die Stabilität auf der koreanischen Halbinsel und die Sicherheit Südkoreas einzusetzen, teilte das Weiße Haus mit.
US-Außenministerin Hillary Clinton sagte nach einem Treffen mit ihrem japanischen Amtskollegen Koichiro Gemba, man habe ein gemeinsames Interesse an einem friedlichen und stabilen Übergang in Nordkorea. „Wir bekräftigen unsere Hoffnung auf verbesserte Beziehungen zum nordkoreanischen Volk und bleiben zutiefst besorgt über sein Wohlergehen.“
Ohne Bedauern nahm die Europäische Union die Nachricht vom Tode Kims auf. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sprach dem nordkoreanischen Volk sein Mitgefühl in der Zeit der Trauer um ihren Staatsführer aus.
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) rief in einer Mitteilung die Internationale Gemeinschaft dazu auf, nach dem Tod Kim Jong Ils die „Reformierung der entsetzlichen Situation“ zu fordern. „Nordkorea war unter Kim Jong Il eine Menschenrechtshölle auf Erden“, so HRW-Direktor Kenneth Roth. Die Zahl der politischen Gefangenen wird auf 200 000 geschätzt.
Das Regime des kommunistischen Nordkorea rief die Bevölkerung auf, sich hinter den knapp 30-jährigen Kim Jong Un zu stellen, der als Schüler in der Schweiz gelebt haben soll. Kim Jong Il hatte zuletzt seinen Sohn auf die Machtnachfolge in dritter Generation vorbereitet. „Es ist der größte Verlust für unsere Partei und der größte Trauerfall für das Volk“, sagte eine in schwarz gekleidete nordkoreanische Nachrichtensprecherin mit Tränen in den Augen.
Das Fernsehen zeigte immer wieder Bilder von weinenden Menschen in Pjöngjang. Viele Menschen gingen auf den Straßen auf die Knie. Regierungsbeamte riefen: „Das können wir nicht glauben.“ Große Menschenmengen versammelten sich vor den großen Denkmälern für Kims Vater und „ewigen Präsidenten“ Kim Il Sung. Sein Sohn werde neben seinem Vater zur Ruhe gebetet, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur KCNA. Kim Il Sungs Leiche liegt einbalsamiert in einer riesigen Gedächtnishalle in der Hauptstadt.
Kim, der nach einem vermuteten Schlaganfall 2008 als gesundheitlich angeschlagen gegolten hatte, hatte zuletzt die Übertragung der Macht auf seinen Sohn vorangetrieben. Kim Jong Un war im September 2010 zum Vier-Sterne-General ernannt und in die erweiterte Führungsriege der Arbeiterpartei aufgenommen worden. Kim Jong Il, der eine „Militär-Zuerst-Politik“ verfolgte, ernannte ihn damit praktisch zum Nachfolger.
Die Streitkräfte Nordkoreas hätten am Tag der Todesnachricht zwei Raketen zu Testzwecken gestartet, berichtete die nationale südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap unter Berufung auf Regierungsbeamte in Seoul. Man gehe jedoch nicht davon aus, dass der Test im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Tod Kims stehe und Südkorea provoziert werden sollte.
Südkorea verstärkte nach Angaben des Generalstabs der Streitkräfte die Kontrolle der innerkoreanischen Grenze und des Luftraums. Es seien jedoch bisher keine „ungewöhnlichen Aktivitäten“ der nordkoreanischen Volksarmee beobachtet worden, hieß es. Beide Staaten befinden sich völkerrechtlich seit dem Ende des Korea-Kriegs (1950-53) noch im Kriegszustand.
Bundesaußenminister Guido Westerwelle rief die künftige Führung in Nordkorea zu Reformen auf. „Die Menschen leiden unter der Diktatur“, sagte Westerwelle am Montag am Rande eines Besuchs in London. „Sie brauchen neue Wohlstandschancen.“
Trotz der wirtschaftlichen Probleme und großer Armut trieb Nordkorea unter Kim seine Raketen- und Atomprogramme voran, die in der Region als Sicherheitsbedrohung gesehen werden. In den Jahren 2006 und 2009 unternahm Nordkorea jeweils einen Atomtest, auf die der UN-Sicherheitsrat mit Sanktionen reagierte.