Analyse Gespräche statt Raketentests: Kim Jong Un will Trump treffen
Washington/Seoul (dpa) - Es ist nichts weniger als ein politischer Supercoup, der am Donnerstag um 19.12 Uhr Ortszeit jäh und unerwartet über Washington hereinbricht.
Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un hat sich zu einem Treffen mit US-Präsident Donald Trump bereit erklärt. Und der sagt zu. Doch mahnen Experten, dass damit im Streit um Nordkoreas Atomprogramm erst ein diplomatischer Etappensieg auf einem langen, schwierigen Weg errungen wurde, dessen Ende noch ungewiss ist.
Die von Südkorea vermittelte Zusammenkunft wäre historisch: Noch nie hat sich ein amtierender US-Präsident mit einem der drei bisherigen Machthaber aus der Kim-Dynastie getroffen, die seit 70 Jahren über die Menschen im Norden der geteilten koreanischen Halbinsel herrscht.
Es ist nicht lange her, da schienen die beiden zutiefst verfeindeten Staaten immer schneller auf eine Wand zuzurasen. Ihr Streit ist der gefährlichste Konflikt der Welt, die internationale Gemeinschaft fürchtete eine atomare Eskalation.
Wie hatten sich beide Seiten nicht 2017 gegenseitig überzogen: irre, klein und dick, wahnsinnig, geisteskranker Greis, „little rocket man“, kranker junger Hund und feige, Trump drohte mit „Feuer und Zorn“ - und das ist nur eine Auswahl.
Sind das jetzt dagegen die ersten Anzeichen dafür, dass Kim im Streit um das Atom- und Raketenprogramm des Landes die Waffen strecken könnte oder ein Eingeständnis, dass er sich bisher auf einem Holzweg befunden habe, wie Südkorea und die USA immer wieder behaupten? Viele Fragen bleiben offen.
Noch am Donnerstagabend relativiert ein ranghoher Mitarbeiter der US-Regierung die jüngsten Entwicklungen. Man rede jetzt noch nicht über Verhandlungen. Es sei erstmal nicht mehr als ein Treffen von Angesicht zu Angesicht. Die USA bestünden auf einer vollständigen Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel. Mit weniger werde man sich nicht zufrieden geben. „Das ist das Ergebnis, das die ganze Welt erwartet.“
„Es gibt gute Gründe zu zweifeln, dass Nordkorea bereit sein wird, so weit zu gehen“, meint der frühere US-Verteidigungsminister William Perry, der jahrelang Erfahrungen mit Verhandlungen mit Nordkorea hat, mit Blick auf die Forderungen der USA. Doch selbst wenn die Nordkoreaner bereit wären, eine wesentliche Frage bleibe: „wie können wir solch ein Abkommen verifizieren“, fragt der frühere Minister auf seiner Website „William J. Perry Project“.
Südkoreas Präsident Moon Jae In, dessen Nordkorea-Diplomatie dazu beigetragen hat, dass die Zusagen Kims und Trumps zustande kamen, klingt da optimistischer. Er sieht das vorgeschlagene Treffen zwischen beiden als wichtigen Anstoß dafür, einen dauerhaften Frieden auf der koreanischen Halbinsel zu schaffen.
Nordkorea ergriff die Olympischen Winterspiele in Pyeongchang im Februar als Chance, sich zunächst wieder Südkorea anzunähern. Kim Jong Un schickte eine ranghohe Delegation, seine einflussreiche Schwester Kim Yo Jong eingeschlossen, zur Eröffnung der Spiele, um unter anderem Moon nach Pjöngjang einzuladen. Beobachter sahen in der Charmeoffensive auch eine mögliche Absicht Kims, sein Land aus den Fesseln der harten internationalen Sanktionen zu befreien.
Im Gegenzug erwiderte Moon die Geste der Versöhnung nach den Spielen mit der Entsendung eigener Emissäre nach Pjöngjang. Heraus kamen historische Vereinbarungen. Vor dem Treffen zwischen Kim und Trump wollen zunächst Moon und Kim im April im Grenzort Panmunjom zum dritten gesamtkoreanischen Gipfeltreffen zusammenkommen.
Die Sondergesandten Moons teilten nach ihren Gesprächen in Pjöngjang Anfang dieser Woche außerdem mit, Kim habe angedeutet, mit den USA über die Schaffung einer atomwaffenfreien Halbinsel reden zu können. Welche weiteren Gegenleistungen Kim dafür verlangt, ist noch unklar. Aber Kim habe bekräftigt, dass er Sicherheitsgarantien wolle, hieß es.
Immer wieder hatte die autokratische Führung in Pjöngjang in den vergangenen Jahren betont, die Atomwaffen des Landes seien nicht verhandelbar - auch nicht für Milliarden von Dollar. Die internationale Gemeinschaft kritisierte Pjöngjang dafür, fast alle Ressourcen ins Militär und die Waffenentwicklung zu stecken, während die meisten Menschen des Landes in großer Armut lebten.
Kostspielig waren die bisher sechs Atomversuche und die zahlreichen Raketentests. Allein im vergangenen Jahr gab Kim den Befehl für mindestens 20 Tests mit ballistischen Raketen, einschließlich dreier Interkontinentalraketen. Ballistische Raketen sind in der Regel Boden-Boden-Raketen, vor allem Atomraketen.
Das Atomprogramm gilt politisch als Garantie für das Überleben der Führung. Militärisch wähnt sich Nordkorea damit unangreifbar. Ziel war es stets, Raketen zu entwickeln, die einen Atomsprengkopf bis auf das Festland der USA tragen können. Nordkorea sieht sich dazu bereits imstande. Washington wird eine feindselige Politik unterstellt. Jetzt verhielt sich Nordkorea zunächst überraschend ruhig nach den wichtigen Ankündigungen durch die südkoreanische Regierung zu den vorgesehenen Gipfeln mit Moon und Trump.
Trump selbst hatte ein Treffen mit Kim immer wieder mal angedeutet. Im November auf seiner Asienreise sagte er unversehens, vielleicht wäre ein Treffen mit Kim ja eine gute Sache für die Welt, wer weiß?
Jetzt an diesem denkwürdigen Donnerstag stand dann Südkoreas nationaler Sicherheitsberater Chung Eui Yong plötzlich etwas verloren vor dem Weißen Haus, ohne einen Amerikaner an seiner Seite, und verkündete die Sensation. Trump habe Gesprächen mit Kim Jong Un zugestimmt. Das Weiße Haus bestätigt das wenig später.
Trump selbst schreibt auf Twitter, das Treffen werde geplant. Kim habe in seinen Gesprächen mit Südkorea von einer Denuklearisierung gesprochen, nicht nur von einem Einfrieren des Atomwaffenbestands. Es sei großer Fortschritt erzielt worden, aber die Sanktionen würden aufrechterhalten, bis eine Abmachung erreicht sei.