Hintertürchen gesucht Große Show, große Probleme? Trump gegen den Rest der Welt
Washington/Brüssel (dpa) - Es war einer von den Auftritten, die Donald Trump liebt: Umgeben von Stahlarbeitern unterzeichnete der US-Präsident im Weißen Haus zwei Proklamationen zur Verhängung von Schutzzöllen auf weltweite Metallimporte - 25 Prozent auf Stahl, 10 Prozent auf Stahl.
Das Foto mit den Arbeitern schien Trump dabei fast wichtiger als der Rechtsakt selbst. Als sich der Präsident am Ende anschickte, den Raum zu verlassen, erinnerte Finanzminister Steven Mnuchin ihn noch daran, die Proklamation tatsächlich zu unterzeichnen. Für den Rest der Welt fangen die Probleme und Fragezeichen damit aber erst an.
In 15 Tagen sollen die Zölle nun in Kraft treten. Kanada und Mexiko bleiben zunächst einmal verschont. Alle anderen Länder sollen jeweils einzeln Erleichterungen bekommen können - abhängig davon, zu welchen Zugeständnissen sie noch bereit sind. Trump begründet den Schritt mit der nationalen Sicherheit. Sollten die anderen Staaten nachweisen können, auf andere Art zur nationalen Sicherheit der Vereinigten Staaten beizutragen, könnten auch sie Nachlässe erhalten, hieß es.
Diese Begründung dürfte aber nur ein Feigenblatt sein. Auf diese Weise kann der Präsident allein handeln und muss sich seine Entscheidung nicht in den parlamentarischen Mühlen von Senat und Abgeordnetenhaus zermalmen lassen. Es geht um den Schutz und den Wiederaufbau der heimischen Stahlindustrie - und gleichzeitig um das Kleinhalten etwaiger unerwünschter Folgeerscheinungen.
Indem Trump die Tür öffnet für Nachverhandlungen, kann er zum Beispiel den EU-Markt für Autolieferungen weiter öffnen. Derzeit entfallen auf jedes Auto aus US-Produktion, das in Europa fahren soll, zehn Prozent Zoll. In die Gegenrichtung sind es nur 2,5 Prozent. Kann Trump hier Nachbesserungen verhandeln, werden auch die 45.000 Stellen relativiert, die nach Expertenmeinung in der US-Autoindustrie wegen höhere Einkaufspreise wegfallen könnten.
Die EU-Kommission, die in Handelsfragen in der Europäischen Union maßgeblich zuständig ist, muss nun eine Balance finden: Auf der einen Seite geht es darum, angesichts des aggressiven Auftretens Trumps nicht das Gesicht zu verlieren. Eine vorläufige Liste von Produkten, auf die Revanche-Zölle erhoben werden könnten, liegt in Brüssel bereits in der Schublade. Darauf finden sich rund 200 US-Erzeugnisse, zum Beispiel Whiskey, Mais, Bohnen und Erdnussbutter. Von allen EU-Staaten gebe es dafür starke Zustimmung, heißt es bei der Behörde.
Auf der anderen Seite könnten einige EU-Länder nun noch auf eine mildere Reaktion drängen - darunter Deutschland. „Die EU muss jetzt einen kühlen Kopf bewahren. Ich mahne zur Besonnenheit“, sagte etwa der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Dieter Kempf. „Eine neue Protektionismuswelle würde die Handelsnation Deutschland rasch treffen.“
Etwa jeder vierte Arbeitsplatz hierzulande hängt am Export, in der Industrie sogar mehr als jeder zweite. Insgesamt drängt die deutsche Wirtschaft auf die Linie: verhandeln statt vergelten, Strafzölle auf US-Produkte nur als letztes Mittel.
Die deutsche Stahlbranche wäre dabei zunächst einmal wohl nur relativ gering von den Zöllen betroffen. Knapp eine Million Tonnen Walzstahlerzeugnisse wurden im vergangenen Jahr aus Deutschland in die USA exportiert. Mit knapp vier Produzent ist Deutschland der größte Stahlexporteur Europas in die USA - aber liegt deutlich hinter Ländern wie Kanada, Brasilien oder Mexiko. Jedoch noch vor China.
Der deutsche Branchenverband sieht vor allem eine indirekte Gefahr: dass Unmengen von Stahl auf den nicht durch generelle Importzölle abgeschotteten EU-Markt umgeleitet werden könnten. Die EU-Kommission hat für diesen Fall auch bereits Schutzmaßnahmen angekündigt.
Bei einer Eskalationsspirale könnte es hingegen vor allem eine deutsche Schlüsselbranche empfindlicher treffen: die Autoindustrie. Denn Trump hat gedroht, bei einer Vergeltung der EU mit Strafzöllen auf US-Produkte europäische Autos ins Visier zu nehmen.
Zwar produzieren BMW, Daimler und VW zunehmend auch in den USA. Die deutsche Autoindustrie aber exportiert daneben in großen Stückzahlen in die USA, im vergangenen Jahr waren es fast 500.000 Autos. Nach Berechnungen der Commerzbank haben die USA 2017 aus Deutschland Autos im Wert von 20 Milliarden Dollar importiert. Einbrüche könnten auch für die Beschäftigung in Deutschland Folgen haben. Ein „Handelskrieg“ mit den USA müsse auf jeden Fall vermieden werden, sagt der oberste Autolobbyist, der neue VDA-Präsident Bernhard Mattes.
Wie derartige Handelskriege ablaufen können, zeigt ein Blick in die Vergangenheit. 2002 erließ der damalige US-Präsident George W. Bush Stahlzölle. Die USA haben damit eigentlich keine guten Erfahrungen gemacht. Bush musste auf WTO-Geheiß zurückrudern. Zuvor hatte er damit zwar die Stahlindustrie zum Heißlaufen gebracht, aber auch eine sechsstellige Zahl an Jobs in anderen Branchen eingebüßt. Mit dem Aussparen von Kanada und Mexiko - beide stehen für mehr als ein Viertel der US-Stahlimporte - und dem Hintertürchen der Einzelfallverhandlungen will man es diesmal besser machen.
VDA-Chef Mattes brachte indes auch neue Verhandlungen über das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP ins Spiel. Jahrelang hatten die EU und die USA über einen umfassenden Handelspakt verhandelt, in dessen Rahmen auch Zölle gesenkt werden sollten. Das Projekt ging bereits unter der Vorgängerregierung von Barack Obama und auch wegen schwieriger Interessenlagen auf EU-Seite nur sehr schleppend voran und wurde schon vor dem Amtsantritt Trumps auf Eis gelegt. Der neue US-Präsident wählte stattdessen rabiatere Methoden.
Die Juristen der EU-Kommission sind nun in höchster Alarmbereitschaft. Binnen 90 Tagen nach Inkrafttreten der US-Zölle könnte die Behörde eine Klage bei der Welthandelsorganisation WTO einreichen, erklärte EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström. Dafür sollten auch andere Länder mit an Bord geholt werden.
Für den Moment allerdings stehen die Gesprächspartner noch für die USA Schlange: EU-Kommissarin Malmström will an diesem Samstag mit US-Unterhändler Robert Lighthizer reden, der britische Handelsminister Liam Fox möchte schon nächste Woche nach Washington reisen und hofft auf einen Sonderweg des Brexit-Landes. Auch Argentinien und Brasilien haben Gesprächsbedarf angemeldet. Der Ausgang: offen.