Amoklauf von München Nouripour (Grüne): "Hass gegen jeden der Ali heißt"
Berlin. Der Grünen-Abgeordnete Nouripour über München und die Folgen für die Deutsch-Iraner "18-jähriger Deutsch-Iraner tötet, verletzt, auch Kinder, und hält alle zehn Stunden in Atem?
Und ich soll jetzt schlafen gehen?" Das twitterte der 41jährige grüne Bundestagsabgeordnete Omid Nouripour in der Nacht zu Samstag. Nouripour ist selbst Deutsch-Iraner. Unser Berliner Korrespondent Werner Kolhoff sprach mit ihm.
F.: Was haben Sie empfunden, als Sie Freitagabend hörten: Der Täter ist ein Deutsch-Iraner?
A.: Es gibt so etwas wie ein irrationales Schuldgefühl. Man fragt sich automatisch: Hat der dieselbe Biografie wie ich? Was haben wir gemeinsam? Was ist bei ihm anders gelaufen als bei mir? Das ging mir übrigens auch bei den Anschlägen vom 11. September 2001 so. Einer der Todespiloten war Libanese, war aber vom selben Jahrgang, hatte eine ähnliche Herkunftsfamilie wie ich.
F.: Das ist in der Tat irrational. Sie könnten sagen: Der Amokläufer war ein 18jähriger Münchener Junge.
A.: Ja, offensichtlich war die Herkunft seiner Eltern ziemlich irrelevant für seine Tat. Er hatte wohl einfach psychische Probleme.
F.: War es dann seitens der Polizei und der Medien richtig, die Herkunft trotzdem zu nennen?
A.: Ich kritisiere das nicht. Wenn es auch nur einen möglichen Zusammenhang zur Tat gibt, dann muss man das nennen und darf es nicht vertuschen. Hinzu kam: Hier kannte man die Motive des Täters lange nicht, ein terroristischer Anschlag lag gerade nach Würzburg leider nahe.
F.: Sie waren in der Nacht zum Samstag auf Twitter unterwegs. Was haben Sie dort im Zusammenhang mit dieser Nationalitätennennung erlebt?
A.: Dass mich Leute auf Twitter rassistisch beschimpfen, bin ich gewohnt. Viel mehr beunruhigt mich, was mir Bekannte und Freunde über ihre Erlebnisse jetzt erzählen. Wer iranischstämmig ist und noch beispielsweise Ali oder heißt, gilt als Terrorist. Sogar eine Bekannte aus den USA hat sich bei mir gemeldet und gesagt, sie sei bei der Arbeit angeschrien worden, "wegen München". Das zeigt, wie vergiftet die Diskussion geworden ist.
F.: Die iranischen Exilverbände haben am Sonntag zu einer Gedenkkundgebung in Berlin aufgerufen. Warum eigentlich?
A.: Klar könnten sie nun sagen, "was haben wir damit zu tun?" Was haben die hier lebenden Iraner, Syrier oder Iraker insgesamt damit zu tun, wenn irgendwo in Raqqa irgendein Barbar Menschen enthauptet oder um sich schießt? Das ist die reine Lehre. Aber so ein Täter ist gleichzeitig auch so etwas wie ein mieser Botschafter für seine Religion, seine Kultur, er strahlt aus auf alle, auch wenn man das nicht will. Natürlich ist es ein wenig demütigend, wenn Organisationen versuchen, einen solchen Generalverdacht auszuräumen. Aber vielleicht am Ende des Tages doch nicht unklug, dem Wahnsinn gute Botschafter entgegenzusetzen.
F.: Wird die Tat von München politisch ausgenutzt?
A.: Wenn wir wollen, dass dieses Gift des Hasses nicht wirkt, müssen wir Politiker weniger reflexartig reagieren. In diesem konkreten Fall sollten wir alle abwarten, was der Abschlussbericht über die Motivation des Täters und die Waffenbeschaffung sagt, ehe wir irgendwelche politischen Schlussfolgerungen ziehen.