Obama sucht mit Moskau nach friedlicher Lösung

Washington/Hannover (dpa) - Im Konflikt um Syriens Chemiewaffen sucht US-Präsident Barack Obama den Schulterschluss mit Russland.

Die Außenminister John Kerry und Sergej Lawrow wollen an diesem Donnerstag in Genf über eine praktische Umsetzung der russischen Initiative beraten, die Chemiewaffen unter Kontrolle zu bringen und schließlich zu vernichten.

Solange es in dieser Frage keine Lösung gebe, werde die Drohung mit einem Militärschlag aufrechterhalten, sagte Obama in der Nacht zum Mittwoch in einer 15-minütigen Rede an die Nation an.

Eine Beilegung der Chemiewaffenkrise bedeutet allerdings längst nicht das Ende des blutigen Bürgerkriegs mit inzwischen mehr als 100 000 Toten. Er wird nach Erkenntnissen unabhängiger Experten mit immer grausameren Mitteln geführt. Regierungstruppen wie auch Rebellen begingen schwerste Verbrechen an Zivilisten, wie die vom UN-Menschenrechtsrat berufene Untersuchungskommission für Syrien am Mittwoch bei der Vorlage ihres jüngsten Lageberichts mitteilte.

Deutschland nahm am Mittwoch die ersten von 5000 syrischen Kriegsflüchtlingen auf. Eine Chartermaschine mit 107 Menschen, darunter 38 Kindern, traf aus der libanesischen Hauptstadt Beirut kommend in Hannover ein. Die Bundesregierung hatte die Aufnahme von 5000 Flüchtlingen im März zugesagt. Die jetzt Eingetroffenen sollten zunächst in das Durchgangslager Friedland bei Göttingen gebracht werden. Danach werden sie auf die Bundesländer verteilt.

Bei dem Genfer Treffen zwischen Kerry und Lawrow könnte es um eine gemeinsame Syrien-Resolution gehen. Sie soll das arabische Land zwingen, sein Chemiewaffenarsenal unter internationale Kontrolle zu stellen und zu zerstören. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hofft auf konstruktive Gespräche. „Ich freue mich, dass die Diplomatie wieder eine Chance hat“, sagte sie am Mittwoch.

Die USA und Russland haben sich bislang unfähig gezeigt, den seit mehr als zwei Jahren andauernden Konflikt zu lösen. Moskau unterstützt das Regime von Präsident Baschar al-Assad, die USA befürchten, dass nach einem Sturz Assads Islamisten die Macht übernehmen könnten.

Eine ursprünglich für Dienstag geplante Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats war wegen Unstimmigkeiten überraschend wieder abgesagt worden. Moskau lehnte einen französischen Entwurf für eine UN-Resolution als „unannehmbar“ ab. Paris wollte in dem Papier auch Zwangsmaßnahmen nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen festschreiben, sollte Syrien den Plänen zur Chemiewaffenabrüstung nicht nachkommen. Dazu gehören neben Sanktionen notfalls auch militärische Mittel.

Obama verurteilte in seiner Rede an die Nation den Einsatz von Chemiewaffen gegen die syrische Bevölkerung als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“. Bei dem Giftgaseinsatz in Vororten von Damaskus am 21. August waren nach Angaben der US-Regierung mehr als 1400 Menschen ums Leben gekommen, darunter Hunderte Kinder.

Für die Frage, ob der Angriff tatsächlich auf Assads Konto ging, gibt es bislang keine unumstößlichen Beweise. Klarheit sollen die Ergebnisse der UN-Chemiewaffeninspekteure schaffen, deren Bericht nach Informationen der luxemburgischen Regierung für Montag erwartet.

Die russische Staatsduma mahnte ein friedliche Lösung an. „Ohne UN-Beteiligung ist eine Aggression gegen den souveränen Staat Syrien unannehmbar“, heißt es in einem am Mittwoch verabschiedeten Beschluss. Ein möglicher US-Militärschlag gegen Damaskus wäre ein „Verstoß gegen internationales Recht und Verbrechen gegen das syrische Volk“.

Das israelische Fernsehen berichtete, Moskau habe Assad als Gegenleistung für ein Einlenken im Chemiewaffenstreit die Lieferung zusätzlicher konventioneller Waffen zugesagt. In die zweiwöchigen Verhandlungen darüber sei auch der Iran einbezogen worden. Ein Teil der Waffen sei schon auf dem Seeweg nach Syrien. Für den Bericht gab es in Russland keine Bestätigung.